Donnerstag, 17. Oktober 2013
Ja, mich gibt es noch.
Das neue Semester läuft schon ein Weilchen und ich laufe hinterher. Meine Vorbereitungen auf den Wieder-Studiumsalltag bestanden darin, mir einen neuen Collegeblock zu kaufen, mehr nicht.
Aber immerhin steht auf dem Block dick und fett ‚Student‘, sollte ich einmal vergessen, wozu ich eigentlich in der Hochschule bin. Nämlich nicht, um mich über meine Mitstudentinnen zu ärgern, die aus kaum einer Vorlesung rausgehen, ohne etwas zu bemängeln gefunden zu haben. Die Zeitschriften lesen und sich am Liebsten über die letzte Party, Haustiere, Diäten, 'Männerprobleme' und Fernsehserien unterhalten. Die sagen, dass die Idee von Inklusion ohnehin nie Realität werden wird.
Und ich höre zu und ich schaue mir das an und frage mich: Was macht ihr dann hier? Was mache ich hier? Bin ich richtig, seid ihr falsch?
Und ich konzentriere mich darauf, Gespräche mit ihnen zu vermeiden, danke, auf Smalltalk mit euch kann ich verzichten, und mich so zu verhalten, dass sie gar nicht erst mit mir smalltalken wollen.
Und ich vergesse, wozu ich in der Hochschule bin. Nämlich, um zu studieren.

Natürlich übertreibe ich und natürlich gibt es auch tolle Leute in meinem Studiengang, aber heute während der Praxisberatung, die in kleinen Gruppen stattfindet, wobei meine Gruppe hauptsächlich aus oben beschriebenen Personen besteht, war ich wirklich verzweifelt angesichts dieses Trauerspiels und habe gespürt, wie meine noch am Montag von meinem Praxisanleiter gelobte Ruhe, Gelassenheit und Entspanntheit Stück für Stück wegbröckelte.

Ja, das hat der Chef wirklich gesagt: „Fr. B., Sie haben heute so einen entspannten Eindruck auf mich gemacht. Als wären Sie völlig mit sich im Reinen, als könnte Sie nichts aus der Ruhe bringen, schön.“
Meine Frage daraufhin: „Mache ich diesen Eindruck sonst nicht?“
Mein Gedanken dazu: Herr Chef, so sehr ich Sie sonst auch für ihre Menschenkenntnis bewundere, diesmal liegen sie schwer daneben. Ich bin alles andere als ruhig, ich bin noch gar nicht richtig im neuen Semester angekommen und in mir drin ist die Unordnung mindestens genauso groß wie das Chaos auf meinem Schreibtisch. Aber danke, dass Sie es sagen, gibt mir trotzdem ein gutes Gefühl. Oder aber Sie sagen das nur, weil Sie mir nicht ständig aufzeigen möchten, dass ich zu ruhig bin. Ein Trick, es ist ein Trick!
Nein, es tat gut, das zu hören und im Nachhinein denke ich, dass er - wie meistens - Recht hatte. Im Vergleich zu heute war ich am Montag ruhig und mit mir und der Welt zufrieden. Das waren vermutlich die letzten Reste der Feriengefühlreserve, die ich heute angesichts zu viel geballter Realität endgültig aufgebraucht habe.

Ja, lasst uns über die Ferien reden, ein letztes Mal, es war so schön! ‚New York, Rio, Rosenheim‘, nicht ganz, aber dafür Paris, Tübingen, St Andrews. Überall war es anders, überall war es schön, überall war es anders schön.

Paris: Großstadtluft, Metropolengewusel, Cousinenzeit, Sommer in der Stadt, Kultur pur.

Tübingen: Kleinstadtflair, Studentenstadt, Freundinnensommer in meiner liebsten Altbauwohnung, am See, auf dem Balkon, auf den Straßen.

St Andrews: schottischer Charme, schottisches Ale, schottische Pubs, Spätsommerwanderungen an der Küste entlang in der Sonne, gutes Essen, Fish’n’Chips, Grillabend, Kochabend, beste Bewirtung, aber auf keinen Fall posh, Inselleben, Spiel & Spaß, Geschwisterzeit, das Meer, Erholung.

Und was kam dann, was war davor, danach, dazwischen und was ist jetzt?

Vor und nach Schottland war jeweils eine Woche Praktikum angesagt. Ganz freiwillig meinerseits, um wieder reinzukommen in die neue alte Stelle, um nicht vollends bei den Bewohnern in Vergessenheit zu raten, um meine freie Zeit zu nutzen, um Stunden zu sammeln.
Es war schön, alle wiederzusehen und ich bin froh, dass ich in der Einrichtung bleiben konnte und auch geblieben bin.

Vor Schottland war außerdem das Fokus Festival bei dem der Verein, in dem ich bin (sagt jetzt nicht, ich hätte ihn noch nie erwähnt, denn das habe ich und ich gehe davon aus, dass ihr jeden meiner Beiträge sorgfältigst und mehrmals lest!), aktiv mitgewirkt hat.
Das Fokus gibt es schon seit ein paar Jahren und es geht darum, den diversen Jugend(sub)kulturen Platz zu bieten, um sich auszuleben und auszutauschen, das alles am Besten noch international im Rahmen des Dreiländerecks Deutschland - Polen - Tschechien. Dazu wird einmal im Jahr ein altes verfallenes Fabrikgelände genutzt, wo es genug Raum gibt für Sprayer, BMXler, Skater, Musiker, Breakdancer und und und.

Was haben also wir (ich will ja nicht so sein: Kulturkombinat 15° e.V.) gemacht? Zusammen mit einem anderen Görlitzer Verein haben wir uns um die Open Stage gekümmert, wo nach Anmeldung jeder für lau auftreten kann. Somit haben wir den Vereinszweck (deutsch-polnischen Jugendaustausch (überwiegend) durch das Medium der Musik) hervorragend erfüllt und die Sache war ein voller Erfolg. Theater, Tanz, Solokünstler, Bands - von allem etwas, bunt gemischt, schön war’s!
Wundervolle Eindrücke vom Festival gibt’s hier hier zu sehen, die Open Stage ist auch mehrmals kurz drin, wer findet sie und das nigelnagelneue 15°-Banner?

Wo ich schon dabei bin beim Verein: Letzten Freitag haben wir unsere Konzertreihe im Basta! (Jugendkulturzentrum, dort findet auch immer das Kantinenlesen statt) gestartet, mit drei Akkustikbands bzw. -künstlern, natürlich auch international durch Chrzan (übersetzt: Meerrettich) aus Polen, die wunderbare Folkmusik machen und mir persönlich am Besten gefallen haben. Es war voll, die Leute kamen in Scharen, die Stimmung war gut und gemütlich, getanzt wurde auch, alles lief weitgehend reibungslos, was wollen wir mehr?
Nächsten Monat geht’s weiter mit Punk und im Dezember gibt’s dann Metal.

Ansonsten macht mir mein Rücken bzw. meine Schulter zu schaffen. Ich war beim Arzt:
- Was machen Sie beruflich?
- Ich studiere.
- Machen Sie Sport?
- Nein.
Alles klar für ihn, abgestempelt als faule Studentin, Physiotherapie habe ich trotzdem verschrieben bekommen.
Die sechs Termine habe ich mittlerweile hinter mir und ich merke keine Besserung. Das bahnbrechendste Erlebnis war, als mein Therapeut mir gesagt hat, dass er in Köln in den Kindergarten gegangen ist. So viel dazu.
Aber ich bleibe dran und nutze den Hochschulsport, speziell das Schwimmen, mit dem festen Vorsatz, meine bisherige Regelmäßigkeit beizubehalten.
Was gibt es auch Schöneres als umgeben von mittelalten Frauen, die sich selbst als ‚in den besten Jahren‘ bezeichnen würden, immer mindestens zu dritt nebeneinader schwimmen - sonst kann man sich ja nicht über die neueste Stützstrumpfmode unterhalten - und um keinen Preis Platz machen wollen, auf der einen Seite und aggressiven Leistungsschwimmern auf der anderen Seite seine Bahnen zu ziehen bei Lokalradiogedudel mit den Hits von vorgestern?

So, das war’s für heute. Fotos kommen. Ich weiß, das sage ich immer, aber ich halte mein Wort und der nächste Regensonntag kommt bestimmt.

Zum Abschluss noch ein Bonbon: Der Trailer von dem großen Hollywood- Film, der teilweise hier in Görlitz gedreht wurde, ist seit heute draußen. Die Dreharbeiten fanden meines Wissens hauptsächlich im Jugenstilkaufhaus und in bzw. vor der Stadthalle statt, beides Gebäude, die momentan leider leer stehen. Umso schöner, dass das Kaufhaus sogar mehrmals im Trailer zu sehen ist. In diesem Sinne: Vorhang auf für The Grand Budapest Hotel!

Und natürlich auch für Die Bücherdiebin. Wer das Buch gelesen hat, weiß worum es geht, nichtsdestotrotz war es bedrückend, als für die Dreharbeiten eine Bücherverbrennung stattfand oder Hakenkreuzflaggen im Bahnhof hingen, beides im Trailer zu sehen.
Ich bin schon gespannt, wann Görlitz wieder als Drehlocation dient und freue mich drauf.
Bis zum nächsten Mal.


Hühner an der Hochschule - da brauchst Du Dich nicht zu fragen, wer da verkehrt ist. Es besteht aber die Hoffnung, dass von denen auch noch einige erwachsen werden.

Ich freue mich schon auf die Fotos. Einstweilen gute Besserung der Schulter. Mir hilft ja Yoga ganz gut gegen Rückenschmerzen.

KULTUR GUT
Da ist ja Sommer drin-und Farbe-und Musik (Du auch?) = Festival

Bei der Folkgruppe gefällt mir besonders gut, das Klicken der
Akkordeonknöpfe...

Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, ab und zu etwas auf die leichte
Schulter zu nehmen, schont Rücken und Nacken...

Dank für den blog, habe schon lange darauf gewartet.
ML