Sonntag, 21.04.2013
Soeben wurde ich das erste Mal in meinem Leben von der Polizei kontrolliert. Wir gehen nichtsahnend von einem schönen Grillabend nach Hause, da hält ein Polizeibus neben uns an, zwei Polizisten bauen sich breitbeinig vor uns auf und wollen gerne unsere Ausweise sehen. Wir geben sie ihnen bereitwillig, sie werden überprüft und uns zurück gegeben. Alles in Ordnung, ob wir sonst noch irgendwelche Fragen oder etwas zu melden hätten, zum Beispiel berauschende Substanzen in der Tupperdose mit den Grillresten? Nein, haben wir nicht, bloß eine Flasche Weißwein, die ich schon seit Wochen von einem Ort zum anderen, von einem Abend zum anderen trage, weil sie einfach nicht getrunken wird, zählt das? Nein, das zählt nicht, tschüss, schönen Abend noch, die Damen. Wie aufregend!
Erzählungen, dass hier häufig Personenkontrollen durchgeführt werden, habe ich schon gehört, aber selbst war ich noch nicht davon betroffen, heute sah ich wohl endlich mal verdächtig aus. Kurz darauf fährt ein zweites Polizeiauto an uns vorbei, aber es hält nicht an. Versteht mich nicht falsch, ich finde es gut, dass die Polizei hier sehr sehr präsent ist, man fühlt sich einfach sicherer, so kleinstadtmäßig das auch klingen mag.
ABER: Wo war die Polizei als zuerst mein Fahrradkorb und dann mein Fahrradlenker geklaut wurde? Mein geliebtes Fahrrad, es wurde verletzt, beraubt und erniedrigt! Zum Teil, zum großen Teil, auch meine Schuld. Normalerweise stelle ich es immer in den Keller, einmal habe ich es nicht gemacht, sondern bloß in den jedem zugänglichen Unterstand, weil ich dachte, dass ich es bald wieder brauche. Die Folge war, dass, als ich nach einer Woche mal wieder nach ihm schauen ging, der Fahrradkorb fehlte. Warum habe ich es dann nicht sofort in Sicherheit gebracht? Faulheil vermutlich, und Gutgläubigkeit.
Letzten Sonntag dann habe ich gemerkt, dass der Lenker weg ist. Ärgerlich, verdammt ärgerlich. Was will man mit einem Fahrradlenker? Und was ausgerechnet mit meinem Fahrradlenker? Ohne Lenker nutzt auch das Fahrrad nichts, mein schönes altes Fahrrad, so viel hat es schon mitgemacht. Als ich auf der Wache dem Polizisten erzähle, dass es schon 10 Jahre alt ist, lacht er bloß. Dann will er noch alle möglichen Dinge wissen, die meisten kann ich ihm nicht sagen. Viel Hoffnung macht er mir nicht, viel Hoffnung habe ich auch nicht. Warum ich mich erst am Donnerstag, also vier Tage danach melde? Kann ich ihm auch nicht sagen.
Vielleicht, weil es mir in letzter Zeit so vorkommt, als würde ich am Leben vorbei leben. Nichts kommt richtig bei mir an, nichts dringt zu mir durch, alles erscheint mir seltsam unwirklich. Das klingt jetzt vermutlich krasser als es ist. Ich schwebe halt so vor mich hin, mache mir viele Gedanken, aber dann auch wieder nicht, alles ist unwichtig und doch wichtig. Ich schätze, das hat mit dem schönen Wetter zu tun. Natürlich ist mir mein Fahrrad wichtig - aber die Sonne scheint und ich will einfach nur im Park sitzen. Natürlich gehe ich zur Hochschule - aber danach sitze ich mit den anderen auf den grünen Wiesen und esse Eis und wenn die Drei-Tage-Woche rum ist, ist nichts hängen geblieben außer der Geschmack von Eis und das Gefühl der Sonnenstrahlen im Gesicht. Liegt es daran, weil der Winter so unvorstellbar lang war und jetzt statt dem Frühling schon fast der Sommer da ist? Wann immer es möglich ist - es ist fast immer möglich - gehe ich mit einem Buch auf meine Lieblingsparkbank und lese lese lese und bin aus der Welt. Ich gehe der Realität aus dem Weg, ich will nur Sonne, mehr nicht, die angenehmen Dinge genießen und die unangenehmen vergessen bzw. gar nicht erst bemerken. Tagsüber gibt es Eis, abends wird gegrillt bei irgendwem auf der Terasse oder dem Balkon - das Leben ist so schön.
Ich frage mich, wie lange das noch so weitergeht. Irgendwann werde ich aus meinem Schwebezustand fallen und wieder da sein, hier sein, und mich statt auf die Bank an den Schreibtisch setzen. Ich hoffe, dass das bald ist; alleine kann ich mich nicht fallen lassen, denn es ist doch so schön hier in meinem Parallel-Leben.

Führt das Alter zu Realitätsverlust? Dann könnte ich das damit rechtfertigen, immerhin bin ich letzte Woche Freitag an einem Tag ein ganzes Jahr älter geworden, das muss man erstmal überstehen. Ich habe es gut überstanden. Geburtstagsvorabend: Pub. Geburtstagstag: Totale Entspannung, Schokokuchen, Sekt, Geschenke. Geburtstagsabend: Konzert im Basta, wo wir uns auffällig fühlen, weil wir nichts Schwarzes oder Zerissenes tragen; wir spielen die meiste Zeit Karten. Nachgeburtstagsabend: Grillen und dann auf zur Kneipennacht, die so heißt, weil in dieser Nacht in nahezu jeder Kneipe Live-Musik ist. Eine tolle Sache, überall sind Leute, überall ist gute Stimmung, alles ist wie verzaubert. Ich habe eine neue Lieblingsband: Minni the Moocher, unbedingt mal anhören und anschauen, lange konnten wir die Füße nicht stillhalten und ich freu mich schon, wenn sie im Herbst ins Basta kommen.
Jedenfalls danke an alle, die an mich gedacht, mir gratuliert und mich beschenkt haben - ich habe mich sehr gefreut!

Vor meinem Geburtstag hatte ich aber noch Besuch und wir haben das volle Touristenprogramm durchgezogen: Den ganzen Tag auf den Beinen, Stadtrundfahrt, vieles sehen, viel dazu lernen, viele Kaffeepausen machen, lecker essen. Kirchen, Museen, Friedhöfe - wir haben nichts ausgelassen und so viel wie möglich aus den zweieinhalb Tagen rausgeholt. Von dem trüben und kaltem Wetter haben wir uns die Laune nicht vermiesen lassen, zumindest nicht oft. Liebe Mama, liebe Jutta - danke für die schöne Zeit, danke, dass ihr hier wart!

So. War sonst noch was? Erstmal nicht. Es ist schon Montag. Ich gehe jetzt schlafen und freue mich auf einen sonnigen Tag morgen. Bis zum nächsten Mal.


Herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag!

arboretum überreicht einen Strauß Veilchen.

Fürs kommende Jahr wünsche ich viel Sonnenschein und Freude.

Dankeschön.

Wie hat dem Besuch eigentlich Görlitz und Umgebung gefallen?

SchwebeTeilchen
Kann ich 'mal den Wein haben?
Den weißen!
Liebe Ester,
jetzt weiß ich wieder warum ich durch Dich Mutter geworden bin,
allein Deinen blog zu lesen und Tränen zu lachen,
ist schon Grund zur Freude genug.
Ich weiß, ich habe es schon lange nicht mehr gemacht und es tut mir um euch beide, Dein Fahrad und Du, leid.
Kann ich euch irgendwie helfen?
Wenn Du einen Besuch auf der Erde machst, sage und schreibe mir wie, bitte.
Ansonsten schwebe und träume weiter. Andere nehmen was aus der Tupperdose , um in diesen Zustand zu gelangen.
Eis ist auch gut, selbst ich habe in diesem Frühsommerling
schon 3 gegessen! Das ist sonst meine Jahresration.
Sonnige Zeiten und Bücher dazu
wünscht
ML