Montag, 20. Mai 2013
Anmerkung vorweg: Ich habe schon gestern, also Sonntag, angefangen, dies hier zu schreiben. Also tut einfach so, als würdet ihr es gestern lesen, danke.
Nachdem ich vorgestern meinen absoluten emotionalen Tiefpunkt erreicht habe - es war rundum schlichtweg nicht mein Tag, nichts hat Spaß gemacht, ich war genervt von allen, am meisten von mir selbst, unzufrieden, noch planloser als sonst und das alles ohne zu wissen, warum, was sich wiederum am meisten negativ auf meine Laune und den Praxistag ausgewirkt hat - ich gestern Abend im Kino war (Der Große Gatsby - wirklich sehr sehenswert) und heute stundenlang im Stadtpark die Sonne genossen habe, geht es mir heute wieder besser und ich fasse mir endlich Herz und Hände, um die letzten Wochen Revue passieren zu lassen, um klarer im Kopf zu werden, um euch und mich auf dem Laufenden zu halten.
Viel Schönes ist passiert, ich versuche, einigermaßen chronologisch vorzugehen.
Das Bosse-Konzert in Dresden
Am 2. Mai waren Martina und ich bei Bosse in Dresden. Was soll ich sagen - es war absolut genial! Als Martina mich gefragt hatte, ob wir dahin gehen wollen, dachte ich, Bosse, na ja, gut, mag ich, können wir machen. Ich hatte mit einem schönen, aber ruhigen Konzert gerechnet, Bosse, der mit seiner Gitarre auf der Bühne steht, seine teilweise doch eher schnulzigen Lieder singt, während das Publikum Feuerzeuge hin und her schwenkt. Nichts da! Es war eine einzige Tanzparty, von Anfang bis Ende, mit nur wenigen ruhigen Stücken als Verschnaufpause. Bosse selbst war ständig in Bewegung, auf der Bühne oder auch in der Menge - einmal ist er direkt an mir vorbei getanzt, kreeeeeisch! - sein ursprünglich graues T-Shirt war nach dem ersten Song schon schweißschwarz. Es war aber auch unnormal warm in der Halle, so eine warme Location habe ich noch nie erlebt. Stattgefunden hat’s im Alten Schlachthof vor ca. 1400 Leuten. Angenehme Größe, aufgeheizte Atmosphäre, extrem tanzbare Musik, Wahnsinnsstimmung - es war toll!
Hier ein kleiner Ausschnitt von einem großen Konzert. Verwackelte Videos mit niedriger Qualität sind nicht schlecht, sondern sie haben Charme.
Der Besuch von meinen Schwester♥
Görlitz - eine kleine Stadt ganz groß. - Touristin aus Paris
Erst Bosse, dann Laura. Ein Highlight jagt das nächste, wobei Lauras Besuch eindeutig besser war, allein schon, weil er länger gedauert hat. Vom 4. bis zum 10. Mai, eine ganze herrliche Woche lang, haben wir Görlitz unsicher gemacht, sind Touristen gewesen, haben Urlaub gemach, jede Menge Spaß gehabt, uns vieles vorgenommen und auch einiges geschafft. Wollt ihr sie sehen? Die Liste? DIE Liste? Ein einmaliges Dokument - Zeuge unserer gemeinsamen Zeit, ständiger Begleiter und Erinnerungshilfe, ohne die wir aufgeschmissen gewesen wären. Meine Damen und Herren, ich darf stolz präsentieren, hiiiiiiiieeeeer kommt sie:
Wollen wir mal sehen, was haben wir denn da? Ja, ich werde das mal den Tagen entsprechend ordnen.
Samstag
Anna Laura kommt um 15.30h in Görlitz an. Nach 20 Stunden Fahrt in einem Reisebus, zerknautscht und erschöpft, kann sie es gar nicht fassen, ihre kleine Schwester endlich in die Arme schließen zu können, sie ist überglücklich und die lange Fahrt ist vergessen, denn sie weiß ja, wofür sie sie auf sich genommen hat.
Ester holt Laura am Bahnhof ab. Es regnet und sie kommt auf den letzten Drücker, da sie noch aufräumen/ einkaufen/ etc./ etc. musste. Ihr Schritt ist gehetzt, gerade rechtzeitig kommt sie am Gleis an, sie freut sich auf ihre große Schwester, ihr Ein und Alles, ihr Vorbild, ihre Inspiration, ihre Muse. Hach, wie idyllisch! Und genauso, liebe LeserInnen, wird es die ganze Woche über weitergehen: Harmonie und Idylle wohin man auch blickt.
Durch den leichten Regen macht sich das Geschwisterpaar auf in Richtung WG, das Wetter stört sie nicht, ja, sie spüren nicht einmal die Tropfen auf ihrer Haut, denn in ihren Herzen und Gesichtern herrscht Sonnenschein und Wärme umhüllt sie auf ihrem federleichten Weg, den sie plaudernd zurücklegen.
Okay, okay, ist gut jetzt, ich hör auf, sonst nimmt mir das ja keiner mehr ab. Es kann losgehen!
Erst einmal Zimmer zeigen (Ohnmachtsanfall seitens Laura angesichts so viel Platz und Raum und Größe konnte gerade noch abgewendet werden), Kaffee trinken, erzählen, erzählen, erzählen, duschen, erholen, ausruhen, auspacken, Pläne schmieden.
Heute machen wir nicht mehr viel, beschließen wir, bummeln durch die Altstadt, mittlerweile wirklich bei Sonnenschein, in Richtung eines kleinen Konzerts: Die wundervolle Band
Sofia! spielt in einem kleinen Hinterhofgarten bei einzigartigem Ambiente.
Grüne Wiese, blühende Kirschbäume, eine Oase der Ruhe und Gelassenheit, plaudernde Menschengrüppchen im Schneidersitz, Kinder, Hunde, Katzen tollen umher, Sonnenuntergang, es wird langsam dunkel, Kerzen werden angezündet, ein Lagerfeuer gemacht. Und zu alldem die leise schöne unaufdringliche Musik, die einen träumen lässt. Später gehen wir heim und machen und essen Pizza. Ein wunderbarer Auftaktabend!
Sonntag
Wir machen die obligatorische Stadtrundfahrt, bei der wir den Altersdurchschnitt erheblich heben, umgeben von einem altersschwachen Hund mit ebenso altersschwachem Frauchen, Kegelclubfrauen und Sportvereinsfrauen, die alle irgendwie zu laut und zu anstrengend sind, Gruppenfotos machen, sich draufgängerisch fühlen, weil sie von ihren Männern einen Tag Auslauf gestattet bekommen haben, und uns immer wieder feststellen lassen, dass wir nie, aber auch wirklich niemals so werden wollen. Wir amüsieren uns prächtig.
Danach brauchen wir erstmal eine Kaffeepause, wir sind ja schließlich nicht mehr die Jüngsten. Wir gehen in das relativ neue Café, das schwer dabei ist, mein Lieblingscafé zu werden. Es ist direkt um die Ecke und hat einen schönen sonnigen Hinterhof. Genau, das sind die Gründe, warum es mein Lieblingscafé werden könnte. Nicht etwa, weil der Inhaber und Kellner so umwerfend charmant ist, dass er schon fast nicht mehr ernst zu nehmen ist. Er begrüßt uns mit „Guten Tag, die Damen, einen wundervollen Sonntag wünsche ich Ihnen“. Das hat einen einzigartigen Effekt auf uns - stellt euch vor, wir werden zu Damen! Und benehmen uns auch so. Mit dem Fächer wedeln, Finger abspreizen, in kleinen Schlucken trinken, kichern, erröten… Ihr wisst schon, was Damen eben so tun, den lieben langen Tag lang. Keinesfalls, aber auch wirklich keinesfalls, beömmeln sich Damen über andere Gäste oder über eben diesen Kellner, der sie zu Damen ernannt hat, und der die Tageskarte an jedem Tisch immer im exakt gleichen seidenweichen, fast schon verführerischen, Tonfall herunterspult, als würde er ganz andere Sachen verkaufen wollen als Kuchen und Törtchen. Nein, Damen beömmeln sich nicht, also tun wir es auch nicht.
Wir ziehen die Kaffeepause in die Länge, so lange, bis wir es drauf haben, ein ungerührtes Pokerface aufzusetzen wann immer wir die Stimme des Kellners hören, so lange, bis es Zeit ist, uns zum nächsten Programmpunkt des Tages zu begeben:
Eine Führung durch Zgorzelec, wieder heben wir den Altersdurchschnitt, wieder sind nervige Frauen mit dabei. Sie sind überall! Der Stadtführer könnte seine Sache gewiss besser machen, aber es ist interessant, mal etwas über die „Oststadt“ zu erfahren, wie er Zgorzelec immer nennt, weil er den Namen nicht aussprechen kann, und mal andere Ecken zu sehen als bloß die Uferpromenade. Geschlagene drei Stunden laufen wir durch die Stadt, umso erschöpfter wir werden, umso mehr gehen uns die zwei Frauen auf den Geist, die den Stadtführer anscheinend nicht leiden mögen, bloß, weil er sie einmal gefragt hat, ob sie nicht die Führung machen wollen, wo sie doch scheinbar so gerne reden. O ja, sie reden gerne und viel. Wir erfahren so einiges über die beiden, ob wir wollen über nicht. Die eine ist vor ein paar Monaten nach Görlitz gezogen, vorher hat sie in Berlin gelebt, davor 30 Jahre in Frankreich. Sie mag Görlitz. Die andere ist Touristin, sie kommt aus Essen, redet ständig darüber, wie schön Essen doch ist und wie nicht schön Görlitz ist. Sie mag Görlitz nicht. Also mag ich sie nicht.
Wir verabschieden uns kurz vor Schluss schon von der Gruppe, denn das Abendprogramm ist wieder ein Konzert. Diesmal auf der Terrasse des Restaurants direkt an der Neiße mit dem Klavierkünstler
Martin Kohlstedt. Eindrucksvolle Kompositionen, begleitet von der Abendsonne und dem Rauschen des Flusses. Wieder unglaublich schön.
Montag
Das Wetter ist nicht mehr so gut, aber das macht uns nichts. Ich zeige Laura ein paar meiner Lieblingsplätze, wir schlendern durch die Geschäfte, wir essen Döner.
Der Abend dann beginnt gut beim Cocktailabend im Flüsterbogen, wo es montags alle Cocktails für 3,50 gibt. Martina und Tina sind mit von der Partie, wir haben den letzten Tisch drinnen ergattert und müssen dies natürlich gebührend feiern. Wir stoßen an. Und nochmal, und nochmal… Irgendwann später kommen wir auf die glorreiche Idee, das Geschehen ins Wohnheim zu verlegen, weil wir ja noch so viele Getränkereste im Kühlschrank haben, die auf ihre Vernichtung warten. Martinas tödliches norddeutsches Trinkspiel tut dann sein Übriges. Über den weiteren Verlauf des Abends breite ich diskret den Mantel des Schweigens; die Fotos, die wir am nächsten Morgen auf den Kameras finden, sprechen Bände. Aber lustig, ja, lustig war’s.
Fun Fact: Unser Nachbar, dessen Zimmer an unsere Küche grenzt, schrieb Tina zu etwas späterer Stunde eine Sms mit der Bitte, ob wir denn nicht etwas leiser sein könnten, er würde gerne schlafen, da er am nächsten Tag einen Vortrag halten müsse. Wir sind natürlich nicht leiser geworden, haben ihm vermutlich etwas eher Rücksichtsloses geantwortet, woraufhin er sich zum Schlafen in die Küche gelegt hat, was wir wiederum zum Brüllen fanden. Stand momentan ist, dass er nicht mehr mit uns redet, nachdem er uns klar gemacht hat, dass er noch nicht weiß, was er davon halten soll, dass er wirklich ein bisschen enttäuscht von uns ist und einfach noch etwas Zeit braucht, um nachzudenken. Auch das fanden wir zum Brüllen.
Dienstag
Wir gehen in den Tierpark! Bei bestem Frühlingswetter, alles grünt und blüht, wir freuen uns wie kleine Kinder über jedes Tier, das wir zu Gesicht bekommen. Ganz besonders haben es uns die Affen, die Ferkel und der Pfau angetan. Der Pfau, der uns geschlagene zwanzig Minuten lang mit seinem Rad bezirzt ehe er einsehen muss, dass wir nicht in sein Beuteschema passen:
Am Abend gehen wir auf ein Bier in den Pub, aber da wir alle noch vom Vorabend etwas mitgenommen sind, wird es ein recht kurzer Besuch.
Mittwoch
Heute steht etwas auf dem Plan, was ich schon längst einmal machen wollte: Wir steigen auf den Rathausturm, von dem aus man einen tollen Blick über die Altstadt hat. Es ergibt sich, dass nur wir beide eine Privatführung von einer Original-Görlitzerin bekommen, die begeistert ist, dass sich auch junge Leute dafür interessieren. Der Aufstieg hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn auf halber Höhe dürfen wir den Schalter drücken, der den goldenen Löwen, der außen am Turm thront, schauerlich brüllen lässt, sodass alle draußen sich verängstigt nach der Quelle des Geräuschs umsehen. Okay, ich übertreibe, das Geräusch klingt mehr wie ein tiefer Orgelton und alles andere als beängstigend, aber trotzdem: Es ist ein tolles Spielzeug und wir dürfen den Schalter so oft drücken wie wir wollen. Diese Tatsache ist fast noch besser als der Ausblick, der uns oben erwartet:
Danach machen wir uns auf den Weg zur Obermühle, einer meiner Lieblingsplätze: Eine alte Mühle, jetzt Restaurant und Pension, natürlich direkt an der Neiße, mitten im Grünen und mit Blick auf das Viadukt. Auf der Terrasse kann man wunderbar in der Sonne sitzen und sich von der schrecklich unfreundlichen Chefin bedienen lassen - sofern denn die Sonne scheint. Heute scheint sie nicht, vielmehr schiebt sich eine dunkle Gewitterwolkenfront immer weiter auf uns zu, die ersten dicken Regentropfen fallen und die letzten Meter bis ins trockene Innere legen wir rennend zurück als der Regen so richtig los geht - perfektes Timing!
Am Abend werden wir wieder zu Damen und dinieren ganz vorzüglich in einem feinen italienischen Restaurant, bevor - welch Überraschung - wir dann wieder zu einem Konzert gehen. In der Maus spielen vor sage und schreibe 12 Leuten
Clemens M. Müller, dem am Abend vorher in Zittau 25 CDs geklaut wurden, und
Robert G. Güttler, der zuvor von der Polizei bezüglich Drogen befragt wurde, da seine Webseite www.transitbereich.de wohl irgendwie verdächtig klang. Clemens Müller finden wir beide gut, wir kaufen sogar zwei seiner noch vorhandenen CDs, Robert Güttler mag ich auch, besonders seine Cowboystiefel, aber Laura steht im eher skeptisch gegenüber. Insgesamt ein sehr intimer Musikabend, wie man ihn nicht alle Tage erlebt. Avanciere ich gerade zum Konzertkritiker?
Fun Fact: Am Freitag im Zug sehen wir Robert G. Güttler wieder. Mit Gitarre und Cowboystiefeln. Er nimmt seine Gitarre mit auf Toilette.
Donnerstag
Feiertag, Herrentag, Vatertag - Sonne und Hitze. Ein letzter Punkt ist noch abzuhaken: Die Landeskrone, was sonst? Die Geschwister machen sich in der brütenden Mittagshitze auf, den majestätischen Berg zu bezwingen. Sie haben eine Mission und sie werden sie erfüllen, komme, was wolle. High Noon, der Asphalt flimmert, die Menschen haben sich in die Kühle ihrer Häuser verkrochen und harren der Dinge, die da kommen werden. Etwas liegt in der Luft, bringt sie zum Vibrieren, was passiert als nächstes? Auftritt: Grölende Männergrüppchen, Bier und Bollerwagen. Die Spannung ist vorbei.
Ja, am Vatertag scheint die Landeskrone ein sehr beliebtes Wanderziel zu sein, wie wir feststellen. Macht nichts, wir sind schneller oben als die schwankenden Typen, die zu viel Sonne und zu viel Bier abbekommen haben, und können somit auch schneller die Volksfestatmosphäre erleben, die uns oben erwartet: Eine mittelmäßige Liveband, Sonnenschirme, Bierzelttische, Bratwürste und Familien. Und natürlich die Aussicht:
Wir genießen die Stimmung, trinken auf der Landeskrone ein Landskronbier, legen uns in die Wiese und schauen den Wolken zu, die auf einmal wieder sehr düster werden.
Also machen wir uns an den Abstieg und schaffen es wieder, dem großen Regen in letzter Sekunde zu entrinnen. Während es schüttet sitzen wir gemütlich im Kartoffelhaus, wo es Kartoffeln in jeder erdenklichen Art der Zubereitung gibt, und lassen es uns schmecken. Dazu trinken wir - haltet euch fest - ein Kölsch. Denn das Kartoffelhaus ist der einzige Ort in Görlitz, wo es Kölsch gibt, weshalb ich in regelmäßigen Abständen, vorzugsweise mit Besuch, dort vorbei schaue.
Am Abend gehen wir in mein liebstes Programmkino und schauen „Nachtzug nach Lissabon“. Laura hat im Gegensatz zu mir das Buch gelesen und freut sich auf eine mindestens genauso schöne Verfilmung. Der Film startet, wir sehen zwei Männer, der eine bringt den anderen mit seiner Schaufel um.
Laura: Oh, Vorschau.
Ich: Hier gibt’s nie Vorschau.
Laura: Das ist aber garantiert nicht der Film.
Da hat sie Recht, es ist nicht der Film. Wo ist der Fehler? Heute ist Donnerstag und jeden Donnerstag wechselt der angebotene Film. Wenn wir nicht „Nachtzug nach Lissabon“ schauen, was schauen wir also dann gerade? Ein stattlicher Mann im Anzug mit Teetasse in der Hand auf der Leinwand lässt es uns bald wissen: „Hitchcock“. Ein Film über Hitchcock, der gerade „Psycho“ dreht, aber vielmehr auch ein Film über Hitchcocks Frau, ohne die er offensichtlich nichts wäre, was er aber erst spät erkennt. Zu spät? Ein guter, witziger, unterhaltsamer Film, der alles in allem aber sehr vorhersehbar ist. Trotzdem bin ich froh, ihn gesehen zu haben, denn Anthony Hopkins als Hitchcock ist einfach göttlich. Laura, ich und die Kinobesitzerin, die sich dazu gesetzt hat, amüsieren uns köstlich. Die anderen Zuschauer irgendwie nicht. Sehen sie denn nicht, wie witzig manche Szenen einfach sind? Moment, das erinnert mich doch an den letzten Film, den ich hier gesehen habe: „Hai-Alarm am Müggelsee“, ein
Film u.a. von Sven Regener, ihr wisst schon, der, der „Herr Lehmann“ geschrieben hat, deshalb wollte ich ihn sehen. Nachdem ich mich anderthalb Stunden lang bemühen musste, vor Lachen nicht vom Stuhl zu fallen, stand für mich fest: Wenn ich mal einen Film mache, dann so einen! Einen aus Spaß am Blödsinn, mit dem die meisten Leute nichts anzufangen wissen, weil sie nicht begreifen, dass es eben nichts damit anzufangen gibt. Schaut ihn euch an, wirklich, es lohnt sich. Einmalig herrlich, besonders Tom Schilling als Fischexperte.
Wieder ins Jetzt: Nach dem Film schlendern wir gemütlich über die Brücke, es ist unser letzter gemeinsamer Abend, den begehen wir natürlich in der polnischen Pizzeria, wo es die beste Pizza und vor allem die beste Knoblauchsauce (ja, Knoblauchsauce zu Pizza - eine Offenbarung!) überhaupt gibt. Dazu ein leckeres polnisches Bier - wenn man einmal eins getrunken hat, verzieht man bei deutschem Bier das Gesicht - und der Abend ist perfekt. Wem es noch nicht aufgefallen ist: Ein Tag, drei verschiedene Biere - so lässt es sich doch leben.
In der lauen Vorsommernacht spazieren wir zurück, für Laura wird es langsam Zeit, sich von Görlitz zu verabschieden. Ein trauriger trauriger Moment. Ihr Bus fährt zwar erst morgen Abend, aber wir werden den Tag vorher in Dresden verbringen, da wir unsere Liste komplett abgearbeitet haben. Alles, was zu tun war, ist getan.
Freitag
Nach einem leckeren Abschiedsfrühstück (wir haben die anderen Tage übrigens auch immer gefrühstückt, keine Sorge, das habe ich bloß nicht erwähnt) mit Algenbrötchen (es gab in der Bäckerei nicht mehr viel Auswahl, aber immerhin wissen wir jetzt, dass Algenbrötchen innen wirklich dunkelgrün sind) machen wir uns am späten Mittag auf in Richtung Bahnhof. Nicht, ohne vorher noch einen Blick in die Peterskirche zu werfen. Die ganze Zeit stand sie vor unserer Nase, aber wir haben es nicht rein geschafft. Bis jetzt. Nun ist wirklich alles abgehakt. Es regnet ein bisschen, der Himmel weint.
In Dresden angekommen ist das Wetter wieder freundlicher, wir bringen Lauras Gepäck im Schließfach unter und stürzen uns ins Getümmel. Obwohl ich Görlitz tausendmal schöner finde als Dresden, muss ich zugeben, dass es gewisse Dinge gibt, auf die ich mich freue: Die vielfältigen Möglichkeiten, Geld ausgeben zu können, shoppen, unpersönliche amerikanische Ketten wo es aber doch so lecker schmeckt (Starbucks, Subway), Leuten zuschauen, den Großstadtflair genießen. Für einen Tag mache ich das sehr gerne, aber dann reicht’s auch wieder für ein paar Monate.
Wir bummeln durch Geschäfte, können uns gar nicht entscheiden, wo wir was trinken bzw. essen gehen sollen und genießen den Tag. Wir spazieren am einen Elbufer entlang und auf der anderen Seite wieder zurück, dann ist es auch schon langsam Zeit, zum Bahnhof zurückzukehren. Vorher essen wir einen letzten Hot Dog und eine letzte Portion Nachos, finden einen tollen Schokoladen-Laden, wo ich zu meiner großen Freude meine liebste isländische Süßigkeit finde, irren eine Weile umher, bis wir die Haltestelle finden, wo der Bus abfährt, und stehen dann dort und wissen, dass der Moment des Abschieds gekommen ist.
Dresden, 21 Uhr, die beiden Schwestern umarmen sich lang und innig. Sieht man dort ein paar feuchte Augen?
Liebe Anna Laura, vielen Dank, dass du hier warst! Es war so schön und wunderbar, aber das weißt du ja selbst. Danke, für die gemeinsame Zeit, danke für deinen Besuch, danke fürs hier sein, danke, dass du alles mitgemacht hast, danke, dass wir es zusammen geschafft haben, in kein einziges Museum zu gehen. Danke für alles. Als nächstes kommt der Sommer, es kommt Schottland, es kommt Stuttgart - ich freu mich!
Ja, das war er also, der ausführliche Bericht einer wunderbaren Schwesternzeit. Ach ja, nur für’s Protokoll: Ich war in der Zeit auch in der Hochschule, jawohl, bei den wichtigen Sachen war ich anwesend, um das mal klarzustellen. What’s next? Nur noch ein paar Kleinigkeiten, ich will ja auch mal zum Schluss kommen.
Des Ladendiebstahls verdächtigt
Kaum war Laura einen Tag weg, stand die Welt (wieder) Kopf bei mir. Nichtsahnend ging ich einkaufen in einem Laden, in den ich sonst nie gehe (jetzt weiß ich auch, warum). Als ich ihn wieder verließ, stellte sich mir ein nuschelnder Typ in den Weg. Ich dachte, er fragt mich nach Kleingeld. Wie sich dann allerdings herausstellte, war es der Ladendetektiv, der mich verdächtigt fand, weil ich mit meinem Leinenbeutel eingekauft habe und mir keinen Wagen genommen habe. Ein höchst unfreundlicher Mann, der anscheinend Spaß daran hat, andere zu schikanieren. Im Hinterzimmer vom Hinterzimmer wollte er den Inhalt meiner Taschen sehen, sowie die jeweiligen Kassenbons dazu. Selbst als klar war, dass ich offensichtlich nichts gestohlen hatte, war er noch unfreundlich, denn es kann ja nicht sein, dass jemand mit einem Beutel einkaufen geht, wo käme man denn da hin, wenn das jeder machen würde? Auf die Idee, sich bei mir für die entstandenen Unannehmlichkeiten zu entschuldigen kam er nicht. Also habe ich am nächsten Tag dem Laden eine hitzige Beschwerdemail geschrieben, mit dem Hintergedanken, dass vielleicht ein Einkaufsgutschein für mich rauspringen könnte. Ist es nicht, es kam bloß eine langweilige Antwortmail zurück. Vielleicht lag es daran, dass ich statt „Detektiv“ immer „Dedektiv“ geschrieben hatte, weshalb man mich nicht so richtig ernstnahm. Wie auch immer: Ab jetzt werde ich dort öfter hingehen. Immer nur mit Beutel.
Der Zilpzalp
Es gibt tatsächlich einen Vogel namens Zilpzalp. Woher ich das weiß? Seit geraumer Zeit werde ich morgens von einem penetranten Vogel geweckt, der seinen durchdringenden Gesang hören lässt. Von Gesang kann man eigentlich nicht sprechen. Es ist ein Geräusch, das sich im Ohr einnistet, das man noch hört, wenn es verklungen ist, das man sich bis ans Lebensende merken wird. Es ist Lärm. Genervt machte ich mich im Internet also über Vogelstimmen schlau und in der Kategorie ‚Park und Garten‘ las ich den Namen
Zilpzalp. Das passt, dachte ich, das muss er sein. Und er war es. Zilpzalp - ein süßer Name für ein kleines unscheinbares Vögelchen, das einen Mordsradau machen kann. Ich habe also einen Zilpzalp vorm Fenster. Der Name versöhnt mich ja schon fast wieder mit ihm. Der Zilpzalp ist ein sehr häufiger Vogel, wann immer ich durch die Stadt laufe, höre ich ihn. Mein Gehör ist jetzt anscheinend auf den Zilpzalp trainiert. Ich habe ein Zilpzalp-Gehör und werde damit leben müssen.
Die Kulturinsel Einsiedel
Vater, wenn du das hier liest - verzeih mir. Ja, ich war auf der Kulturinsel. Letzten Montag. Ich wurde überredet, verführt, bestochen. Aber eigentlich bin ich freiwillig und gerne hingegangen, von vorneherein in dem Wissen, dass sie ohnehin nicht mit euren Spielplätzen mithalten kann.
Wovon redet sie da bloß? Ja, liebe Leute, hier in Görlitz sind die Spielplätze anders als in anderen Städten: Sie sind bunt, schief, krumm und das mit voller Absicht. Wie ich durch meinen werten Herrn Papa bei seinem Besuch im November lernen konnte - es war ein eindeutig abwertender Unterton bei seinen Ausführungen dabei - ist dies wohl das Markenzeichen der Einsiedel-Bauart, die in Abgrenzung zu den üblichen trostlosen Stadtspielplätzen den Kindern eine bunte, farbenfrohe Fantasiewelt bieten wollen. Wer steckt dahinter? Die Künstlerische Holzgestaltung Jürgen Bergmann, die es seit 1990 gibt, sich selbst als Querdenker sieht, und die auf ihrer Internetseite sagt: „Wir bauen Welten - so phantastisch wie im Computer, aber mit allen Sinnen erfahrbar!“. Bevor ich hierher kam, hatte ich noch nie etwas davon gehört und mich über die auffallenden Spielplätze nur am Rande ein bisschen gewundert. Da ein paar Kilometer außerhalb von Görlitz die Kulturinsel Einsiedel liegt - ein großer Abenteuerspielplatz/Freizeitpark, auf dem u.a. auch das erste Baumhaushotel Deutschlands steht - ist es nur verständlich, dass es auf die Stadt abfärbt.
Auf der einen Seite stand nun Vater B.‘s Meinung, der naturnahe Spielplätze zu seinem Beruf gemacht hat: Um die Sinne anzuregen braucht man nicht unbedingt schiefe Holzkonstruktionen mit Unmengen bunter Farbe. Weniger ist mehr, natürlich geht anders.
Auf der anderen Seite stand die Meinung von Tina, die schon von Kindesbeinen an regelmäßig in den Ferien zur Kulturinsel gefahren ist: Es ist so toll dort, ihr müsst das mal sehen, die Tage dort waren immer am Besten!
Ihr seht, ich steckte in einem moralischen Dilemma. Aber Tina hatte Geburtstag gehabt und letzten Montag haben wir uns ins Auto gesetzt, um die Kulturinsel unsicher zu machen. Da wir Studenten sind, es unter der Woche war und wir zudem erst zwei Stunden vor Schluss ankamen, kostete der Eintritt pro Person ‚nur‘ vier Euro, ansonsten kann man bei den Eintrittspreisen schon ordentlich Geld loswerden. Wir stürzten uns ins Abenteuer: Kletterten auf Türme, krochen durch Tunnel, sprangen Trampolin, spielten Verstecken, machten große Augen. Kurzum: Ja, es war schon toll und beeindruckend. Ein großes Gelände, auf dem man sich restlos austoben kann, alles ist schön und bunt, mit viel Liebe zum Detail - ich kann schon nachvollziehen, warum das bei Kindern und Eltern so gut ankommt. Nach dem Tag hatte ich eine dreckige Hose, viele blaue Flecken und Muskelkater. Man wird ja auch nicht jünger, was? Aber trotzdem, lieber Papa: Wenn ich die Wahl hätte, auf einen Einsiedel-Spielplatz zu gehen oder auf einen von euch, würde ich natürlich immer euren nehmen, keine Frage! Und das sage ich nicht nur aus Angst davor, enterbt zu werden.
Der Fahrradlenker
Ich hab ihn wieder! Ich hab aber auch ein Glück! Ich darf an den Laptop erinnern, auf dem ich gerade diese Zeilen schreibe? Auch er wurde entwendet, auch ihn habe ich wieder bekommen.
Am Freitag war ich wieder auf dem Polizeirevier, mir wurde ein Lenker gezeigt mit der Frage, ob das meiner sei. Es war meiner und ich durfte ihn mitnehmen. Jetzt muss ich mich erkundigen, wie das wird mit einer Reparatur, Lenker draufsetzen könnte ich auch noch alleine, aber mit den Licht- und Bremskabeln sieht das schon anders aus. Die Frage ist nun, ob sich das noch lohnt oder ob ich mir gleich ein neues gebrauchtes Fahrrad kaufe, das dann auch nicht mehr so arg klein wäre. Es bleibt spannend, es entscheidet sich aber schon bald, denn es wird Sommer und dann will ich an den See radeln.
Der ESC
Den letzten Eurovision Song Contest habe ich in Island gesehen und auch für Island mitgefiebert. Wisst ihr noch, was für eine herbe Enttäuschung das war? Dieses Mal habe ich immer noch für Island mitgefiebert. Ich hatte die Wahl zwischen
Deutschland und
Island. Da hab ich mich dann doch lieber für Island entschieden, dessen Beitrag diesmal sogar auf Isländisch gesungen wurde. Ich mein, Cascada, im Ernst? Und, siehe da: Deutschland Platz 21 (letztes Jahr Platz 8), Island Platz 17 (immerhin, letztes Jahr Platz 20). Nicht, dass ich den ESC diese Jahr geschaut hätte. Nein, ich bin lieber ins Kino gegangen und habe dann bloß noch die Punktevergabe mitverfolgt. Das war die richtige Entscheidung. „Der Große Gatsby“ hat mich sehr gut unterhalten, das hätte der ESC nicht geschafft. Oh, es wäre natürlich etwas anderes gewesen, wenn nicht Cascada, sondern LaBrassBanda uns vertreten hätten, die mit
diesem Song beim Vorentscheid angetreten sind und den Sieg verdient hätten. Sie haben sogar die Kölner Philharmonie zum Beben gebracht und alle Zuhörer von ihren roten Samtsitzen gerissen, einfach, weil sie's draufhaben - ich war dabei, ich weiß das - da wäre der ESC doch ein Klacks gewesen. Aber es wäre ja auch mal etwas Neues, wenn beim ESC gute Künstler antreten würden. Dann wäre das Publikum bestimmt restlos überfordert.
Übrigens: Nur weil ich für Island war, heißt das nicht, dass ich
diese Parodie des isländischen Beitrags nicht lustig finde. Ein Amerikaner, der jeden einzelnen ESC-Song auseinander genommen hat, irgendwie sympathisch.
Ende
Jawoll, wir haben’s geschafft. Ich hab zu Ende geschrieben; wenn ihr hier angekommen seid, habt ihr zu Ende gelesen und seid wieder up to date was mein Dasein in Görlitz betrifft. Mir geht es soweit gut, es geht hoch und runter, aber meistens doch hoch.
Ich hoffe, ihr habt/hattet schöne Pfingsten. Ich persönlich bin sehr froh, dass ich das zweite Jahr in Folge leider nicht in Altenrath auf dem Schützenfest sein kann, um mit dem Orchester aufzuspielen. Und ich bin sehr froh, dass ich morgen und übermorgen auch noch hochschulfrei habe. Vielleicht schaffe ich es dann endlich mal, produktiv zu sein. Also studiumsbezogen produktiv. Elf Seiten innerhalb von zwei Tagen zu bloggen ist natürlich produktiv, immerhin fast schon ne Belegarbeit.
Ich hoffe, ihr wisst zu schätzen, was ihr beim Lesen dazu gelernt habt, ich sage nur: Zilpzalp, niemals mit einem Jutebeutel einkaufen gehen, Einsiedel, aktuelle Filme, Musik. Fehlt eigentlich nur noch ein Buch. Aber auch dazu hab ich was: Zum Geburtstag habe ich von Tina und Martina einen sogenannten Personal Novel bekommen - eine ganz kuriose Sache: Die Hauptfigur trägt meinen Namen, ich bin eine Heldin in einem Westernroman, werde am Ende sogar zum Hilfssheriff ernannt (als Frau!), lege dieses Amt aber bald wieder nieder, da ich nach vielen Irrungen und Wirrungen doch endlich zu meinem Zukünftigen finde, der niemand anderes ist als Jacko Hooper. Ein tolles Buch! Ich würde euch ja ans Herz legen, es zu lesen, aber leider ist es ein Unikat, extra für mich angefertigt. Tja, tut mir Leid, da entgeht euch was.
Aber ihr merkt - ich habe ein breitgefächertes Angebot in meinem Blog parat, also bleibt dran, liebe Leser, mehr oder weniger bald melde ich mich wieder.
So, jetzt aber genug der großen Töne, danke fürs Lesen, tschüss, bis zum nächsten Mal, mehr Fotos kommen noch.
Argh, warum waren die beste Freundin und ich nicht auf diesem Turm? Den Knopf hätte ich auch gern gedrückt. Wir müssen wohl doch nochmals nach Görlitz, die beste Freundin sagte auch schon einmal, dass sie nochmals dorthin möchte.
Vielen Dank für das Update und die Fotos. Hoffentlich kommt Deine Schwester Dich bald wieder besuchen. Und Glückwunsch zum neuen Zilpzalp-Gehör. :-)