Sonntag, 10. Februar 2013
Wenn aus dem hier
das hier
wird, dann: Ist aus dem Bücherchaos doch noch irgendwie eine Belegarbeit geworden, die pünktlich abgegeben werden konnte. Ist die Prüfungsphase schon wieder vorbei, ohne, dass sie überhaupt großartig angefangen hätte. Neigt sich mein erstes Semester dem Ende zu. Hat das Vorpraktikum schon begonnen.
Aber immer der Reihe nach, ist ja schließlich Sonntag, da denkt man nicht so schnell, wenn überhaupt. Also: Mein Beleg mit dem Thema "Mobbing unter Schülern" ist fertsch, wie der Sachse sagt, siehe Foto, zwanzig Seiten Text sind's geworden, ich weiß nicht, wie und wann ich das geschafft habe, aber im Nachhinein kann ich mich nicht an allzuviel Stress erinnern. Das ist gefährlich, da ich ja beim nächsten Mal viel viel früher anfangen wollte. Mh, egal, denn erst im vierten Semester müssen wir wieder einen schreiben, das ist doch mal was.
Die mündliche Prüfung war am 31., davor hatte ich Stress, weil ich mündliche Prüfungen nunmal nicht mag. Das Thema - Antiautoritäre Pädagogik nach A.S. Neill - habe ich mir erst ein paar Tage vorher ausgesucht, rausgekommen ist "mit Wohlwollen" eine 2,0. Ob mit oder ohne Wohlwollen: Zwei ist zwei und ich bin zufrieden.
Die Französischprüfung war ja schon am 28., ich hab ein gutes Gefühl, war wie zu erwarten nicht sonderlich schwer.
Letzten Donnerstag dann (7.) war die Klausur. Natürlich habe ich vorher ein paar schlaue Bücher gelesen, ja, zugegeben, es war nur eins, aber mehr war auch nicht nötig, da wir die Fragestellung schon vorher wussten: "Verdeutlichen Sie exemplarisch, wie gesellschaftliche Ausgrenzungsprozesse zustande kommen und wie diese theoretisch und praktisch inklusiv vorgebeugt werden können. Beziehen Sie dabei anthropologische und ethische Erkenntnisse mit ein." Ich habe mir vorher kein detailliertes Konzept gemacht und auswendig gelernt, wie so manche andere, sondern mich darauf verlassen, dass mir während des Schreibens schon was einfallen wird. Ist es auch, meine Ausführungen strotzen nur so vor mitreißendem Optimismus und flammenden Sätzen. Ich weiß nicht, ob es das ist, was die Professoren hören wollen, aber Spaß gemacht hat's jedenfalls.
Donnerstagabend dann, nachdem ich erstmal etwas Schlaf nachgeholt habe, ich weiß nicht, was im Moment los ist, ich könnte schlafen schlafen schlafen, haben wir das Ende der Prüfungen gefeiert. Ich habe mich etwas zurückgehalten, weil ich am Freitag meinen ersten Praktikumstag hatte und dafür fit sein wollte. Das konnte ich jedenfalls als perfekte Ausrede nehmen, als die Leute um mich rum zusehends betrunkener und die Gesprächsthemen immer uninteressanter wurden. Tut mir Leid, aber sobald man sich dem Thema Hunde zuwendet - und es war klar, dass dies passieren würde, da zwei Hundebesitzerinnen unter uns waren, die beide ihre Hunde da hatten, wovon einer enorm viel Platz des Sofas, auf dem ich saß, in Anspruch genommen hat - verspüre ich den Drang zu flüchten. Hab ich dann auch gemacht. Aber lustig war der Abend trotzdem, besonders, wenn es wie so oft um sächsische Spracheigenheiten ging. So wird hier aus "Kevin allein zu Haus" schnell mal "Kevin alleene daheeme" und aus einem Maya-Symbol ein Meyer-Symbol, was besondere Verwirrung gestiftet hat, da wir uns unter einem Meyer-Symbol nichts vorstellen konnten und erst recht nicht verstanden haben, warum sich jemand etwas derartiges tätowieren lassen will. Ja, lustig war's, aber lieber wär ich zu Hause im Weiberfastnachtsgetümmel gewesen. Oder, wär ich das? Nach zwei Jahren Karnevalsabwesenheit kann ich das gar nicht mehr so richtig sagen. Aber Lust hätte ich schon mal wieder, vielleicht nächstes Jahr. Bis dahin werfe ich dem Kölsch-Fässchen, dass Tinas Stiefvater ihr für mich mitgegeben hat, das wir aber selbstverständlich zusammen leeren werden, einen sehnsüchtigen Blick zu und höre mir das ein oder andere kölsche Lied an, so wie
das hier, aber dann ist es auch wieder vorbei mit der Sehnsucht nach Karneval.
Außerdem, ganz ohne Karneval ist es dieses Jahr gar nicht, fällt mir gerade ein, denn am Dienstag werde ich vom Praktikum aus die Bewohner in die Faschingsdisco nach Löbau begleiten.
Genau, nächstes Thema: Praktikum. Für alle, die es nicht (mehr) wissen: Ich muss/ darf in den Semesterferien 80 Stunden Vorpraktikum machen bevor es dann im neuen Semester darum geht, 120 Stunden, verteilt auf optimalerweise einen Tag pro Woche, vollzukriegen. Ich bin in einer Außenwohngruppe für geistig Behinderte, Träger ist die Caritas. Viele meiner Mitstudierenden hatten erhebliche Schwierigkeiten, einen Praktikumsplatz zu finden, weil viele Einrichtungen schlichtweg nicht mit dem Konzept einverstanden waren und anscheindend nicht verstanden haben, dass es ein semesterbegleitendes und kein Vollzeitpraktikum ist. Ich hatte da anscheindend nur Glück, denn ich habe bei zwei Stellen angefragt, ohne großartige Bewerbung oder sonstiges, und beide hätten mich genommen. Ich habe mich für die Außenwohngruppe entschieden, weil mir die Atmosphäre dort besser gefallen hat und der Leiter einen sehr guten Eindruck auf mich gemacht hat.
Das alles hat sich am Freitag nur nochmal bestätigt. Ich war von 14.30 Uhr bis 21 Uhr dort, der Spätdienst also, der Frühdienst ist von 5.30 Uhr bis 7.30 Uhr und kollidiert momentan sehr stark mit meinem endlosen Schlafbedürfnis, daher bin ich sehr froh, dass ich nicht so oft für morgens eingeteilt bin. Am Freitag war an Mitarbeitern der Leiter und der Bundesfreiwilligendienstler, ein älterer Herr, ohne den nichts laufen würde, da. Immer wenn ich dort war, zum Probearbeiten oder zum Vertrag unterschreiben, waren die beiden da. Ich glaube, sie sind dort schon fast zu Hause. Der Leiter, noch relativ jung, macht zum Einen den Bürokram, ist aber gleichzeitig auch immer für die Bewohner da, das alles mit einer unglaublichen Gelassenheit und endloser Geduld und Freundlichkeit, ich frage mich, wie er das schafft. Er weiß über alles Bescheid, hat immer Zeit für ein Gespräch oder eine Runde "Mensch ärger dich nicht" und hatte, als ich kam, noch die Nachtbereitschaft sowie den Samstags- und Sonntagsdienst vor sich und war trotzdem ausgeglichen und gut gelaunt. Ihr merkt, er ist auf dem besten Weg, mein Held zu werden.
Der BFDler ist da ganz anders, er bezeichnet sich selbst als hart, aber herzlich und geht schonmal etwas grob mit den Bewohnern um, die dann aber nur zurück kontern, da sie wissen, das es nicht böse gemeint ist. Er macht unglaublich viel, ist immer in Bewegung und setzt sich nur selten hin. Ich glaube, ich bin in einer Einrichtung voller Heiliger gelandet. Wer weiß, vielleicht werde ich dort auch bald zum unendlich geduldigen Übermenschen, zum energiegeladenen Arbeitstier. Wunder soll es geben.
Als ich am Freitag kam, gab es erstmal Mitarbeiterkaffeetrinken zu dritt und im Anschluss daran Nachmittagsvesper für alle, die wollen. Es gibt zwei Wohngemeinschaften, oben und unten, unten wohnen die etwas Älteren, die nicht ganz so selbstständig sind wie die jungen Leute oben, die sehr viel Wert darauf legen, dass sie alles alleine machen. Ich war den ganzen Tag nur unten, nach dem Kaffee bin ich mit Angela, die erst vor einem Monat eingezogen ist, zum Friseur und einkaufen gegangen, als wir wieder kamen, gab es Abendessen, danach noch ein paar Spiele, dann war es 9 Uhr und ich war fix und fertig. Wirklich viel gemacht habe ich ja nicht, daher muss es wohl an all den neuen Eindrücken und Informationen gelegen haben. Es ist sehr familiär dort und wie in einer Großfamilie reden alle durcheinander, sind laut und aufgedreht, das bin ich einfach nicht gewohnt. Ich habe erstmal nur beobachtet und alles auf mich wirken lassen und selbst das war anstrengend. Ich bin mal gespannt, wie es die nächsten Tage wird, ab morgen geht es wieder los, dann mal mit anderen Mitarbeitern, ich bin gespannt. Bisher gefällt es mir also gut, aber trotzdem werde ich froh sein, wenn ich nach dem 24. Februar damit fertig bin und erstmal zwei drei Wochen komplett frei habe, bevor es losgeht ins zweite Semester.
Gibt es sonst noch etwas Neues? Am 22. Januar wurde mir ein Muttermal entfernt, das erste Mal, dass ich auf einem richtigen OP-Tisch lag in einem sterilen Raum mit weißen Kacheln, wo mir beim Eintreten schon die Nasenhärchen weggeätzt wurden. Ich habe vorher versucht, mir möglichst wenig Gedanken zu machen und es war dann auch gar nicht schlimm. Weh getan hat es nicht, die örtliche Betäubung hat sofort gewirkt, nicht so wie bei den Weisheitszähnen, und als ich noch dachte, dass der Chirurg ausprobiert, ob wirklich alles betäubt ist, war er schon längst am Rausschneiden. Insgesamt eine Sache von vielleicht fünfzehn Minuten, in denen das Radio lief und der Arzt mit sich selbst geredet hat. Vermutlich hat er mit mir geredet, allerdings dachte ich, er redet mit den Schwestern, die aber nicht geantwortet haben. Als ich das erkannt hatte, habe ich immer noch nicht geantwortet, da ich generell sehr selten das Bedürfnis habe, über Fußball zu sprechen, und erst recht nicht mit jemandem, der gerade mein Blut an seinen Händen kleben hat.
Anderthalb Wochen später wurden die Fäden gezogen, jetzt habe ich eine Narbe, aber dafür die Gewissheit, dass das Gewebe nicht bösartig war. Seht ihr, nun habe ich also den medizinischen Befund, dass ich nicht bösartig bin, könnt ihr sagen, was ihr wollt.
Deshalb vollkommen nicht-bösartige, sondern sehr liebe Grüße aus Görlitz. Alaaf!
Wie schön, dass alles so gut bei Ihnen läuft - und vor allem auch das Gewebe gutartig war. Liegt Schnee in Görlitz? Friert die Neiße zu? Ich hoffe ja immer noch auf ein paar Fotos von der Stadt.