Freitag, 10.02.2012
O ha, diesen Monat habe ich noch gar nichts von mir verlauten lassen und es ist schon der 10. Da besteht wohl Nachholbedarf. Die letzten beiden Wochen waren ziemlich anstrengend und von der Alltagsroutine war fast nichts zu spüren, da die Zwillinge krank waren. Leider nicht beide gleichzeitig, sondern letzte Woche Margrét und diese Woche Erna Steina. Folglich waren beide den ein oder anderen Tag nicht im Kindergarten, folglich habe ich mich an diesen Tagen mit dem Putzen beeilt, damit die Eltern wenigstens teilweise arbeiten gehen konnten. Folglich habe ich mich noch mehr als sonst mit den Zwillingen beschäftigt, und es ist so ein Unterschied, wenn man sie mal nicht im Doppelpack hat. Ich dachte manchmal fast, jemand hätte sie gegen andere, liebe, brave Kinder ausgetauscht. Kein Geschrei, kein Weinen, kein Weigern, wenn ich ihnen gesagt habe, dass sie aufräumen sollen. Ja, es ging sogar so weit, dass sie mir, trotz 40 °C Fieber gut gelaunt, beim Wäsche machen geholfen haben. Na ja, eine große Hilfe waren sie eigentlich nicht, ihre Aufgabe bestand eher darin, dass sie den Wäschekorb entleert haben, um mir zu zeigen, wem welches Kleidungsstück gehört. Trotzdem: Es ist ein Anfang und immerhin wissen sie jetzt, dass sich das alles nicht von alleine macht. Nebenbei haben wir noch die Aussprache der Namen sämtlicher Familienmitglieder geübt – auch Erna Steina kann jetzt meinen Namen sagen und manchmal auch ihren eigenen – und ein Buch nach dem anderen gelesen. Immer wenn der jeweils kranke Zwilling für den Mittagsschlaf im Bett lag, aber noch nicht schlafen konnte bzw. wollte und sich durch lauthalses Singen und Reden die Zeit vertrieben hat, hab ich es mir in den gemütlichen Fernsehsesseln, in denen man so schön versacken kann, bequem gemacht und war meistens schneller eingedöst als das Kind.
Letzten Freitag (3.02.) ging es schon früh morgens für uns alle außer Sóley los Richtung Reykjavík. Ich hatte große Pläne, denn ich wollte die Chance, dass wir mal an einem Wochentag in der Stadt waren, nutzen, um endlich endlich meine Kamera reinigen zu lassen. Ich hatte das Fotogeschäft vorher per Mail angeschrieben, um zu fragen, wie lange es dauern würde. Es hieß, wenn ich sie vor Mittag vorbeibringen würde, sei es kein Problem. Ich dachte mir, super, wenn wir schon so früh los fahren, schaffen wir das ja locker. Aber da hatte ich vergessen, den Zwischenstop in Borgarnes einzuplanen, wo es darum ging, für die ganze Familie Reisepässe zu beantragen – inklusive Passfoto machen. Ja, es war schon ein seltsamer Anblick, den wir da boten: Eine siebenköpfige Familie, die sich im Rathaus häuslich einzurichten schien. Direkt nach dem Reinkommen zogen die Zwillinge, die fest davon überzeugt waren, im Schwimmbad zu sein, ihre Schuhe aus, um erst auf Socken, später dann barfuß die Treppen rauf und runter zu laufen. Aber zuvor mussten noch einige Formulare unterschrieben werden, auch von mir, denn ich musste sozuagen bezeugen, dass sie auch die waren, als die sie sich ausgaben. Dazu musste ich meine isländische Sozialversicherungsnummer angeben. Ich war mir ziemlich sicher, sie auswendig zu können, deshalb hielt ich es nicht für nötig, in meinem Portemonnaie in meiner Tasche im Auto nachzuschauen. Im Nachhinein könnte es allerdings durchaus sein, dass ich einen Zahlendreher drin habe. Wer weiß, vielleicht müssen wir die ganze Prozedur dann nochmal wiederholen. Rakel und Eysteinn werden sich bedanken und die Angestellte, die angesichts der Kinder auf dem Thresen, die die Trennscheibe mit ihren Händen bepatscht haben, vergeblich versucht hat, ihr Lächeln zu bewahren, sicherlich auch.
Danach ging es weiter zum Fotos machen. Probiert mal, von einem Kleinkind, das alles interessanter findet als die Linse des Fotografen, ein biometrisches Passbild zu machen. Ja, es hat lange gedauert, aber letztendlich war dann der Fotograf und auch Íris und Rakel mit ihren Bildern zufrieden. Meine Rettung war die Kaffeemaschine, die zum Glück auch Kakao ausgespuckt hat, und das Sofa. Als alle nach anderthalb Stunden fertig waren, hieß es, das von den Mitarbeitern zur Verfügung gestellte und von den Kinder mittlerweile zerstörte Spielzeug zurück zu geben, Íris und Jón rutschten ein letztes Mal das Geländer runter, es wurden noch einmal sämtliche Knöpfe des Fahrstuhls gedrückt, noch einmal ein Blick auf den ausgestopften Marder geworfen, Schuhe wurden gesucht und gefunden und auf dem Auslagetischchen für die Broschüren wurden Windeln gewechselt. Als wir das Gebäude verließen, meine ich, einen allgemeinen Seufzer der Erleichterung vernommen zu haben.
Letztendlich waren wir dann um halb eins in Reykjavík, ich wurde im Zentrum rausgelassen, der Rest fuhr weiter, diverse Dinge erledigen und ich sollte um drei an der selben Stelle wieder abgeholt werden. Ich wusste, dass der Fotoladen nicht direkt im Zentrum lag, aber dass ich eine geschlagene halbe Stunde im Schnellschritt dorthin hetzten musste – wie gesagt: vor Mittag da sein – hätte ich nicht gedacht. Um Punkt eins hatte ich das Geschäft dann gefunden und der Inhaber hat sich meiner Kamera angenommen, mit der Aussage, sie wäre gegen drei fertig. Was nun? Was tun? Um drei musst ich ja schon wieder am Rathaus sein. Erstmal ins Fotostudio gegenüber gehen, um ein paar anständige Fotos für potenzielle Bewerbungen machen zu lassen. Die fertig Entwickelten konnte ich auch erst zwischen drei und vier abholen. Also habe ich Eysteinn angerufen, alles klar, sie wollten mich dann um vier dort abholen. In der Wartezeit bin ich wieder zurück in die Stadt gelaufen, um die Gelegenheit für einen Abstecher ins Babalú und in den CD-Laden zu nutzen. Im Babalú habe ich mich mit der Suppe des Tages aufgewärmt und in meinem Lieblings CD-Laden habe ich eine CD nur nach Cover und kurzem Reinhören gekauft und sie gefällt mir, so muss das sein.
Gegen drei habe ich mich auf den Weg zurück gemacht, die Kamera war dann auch schon fertig, die Passfotos kurz darauf auch, um viertel vor vier stand ich abholbereit draußen und habe die vorbeifahrenden Autos und Insassen studiert. Um kurz nach vier rief Eysteinn an, sie mussten spontan in die Werkstatt weil er die linke Schiebetür des Autos aufgemacht hatte, die Tür, die man um keinen Preis aufmachen sollte, weil sie seit dem Winter die Angewohneit hat, sich nur sehr sehr schwer wieder schließen zu lassen. Dieses Mal ging es dann gar nicht mehr und die Werkstatt musste helfen. Zum Glück stand ich die ganze Zeit neben einem Café, zum Glück hatte ich noch etwas Geld, zum Glück hatte ich ein Buch in meiner Tasche. Aber irgendwann wurde mir das Warten dann zu lang, also bin ich wieder zurück ins Zentrum gelaufen, mit dem Ziel Rathaus, um es Rakel und Eysteinn leichter zu machen, damit sie nicht noch den Umweg fahren mussten, um mich abzuholen. Dort wurde ich dann auch letztendlich um viertel nach fünf eingesammelt. Nur um es festzuhalten: Ich bin insgesamt zwei mal zum Fotoladen hin und auch zwei mal wieder zurück gelaufen, durch langweilige Straßen in unspektakulären Wohngebieten, teilweise durch Regen, kalt war es sowieso, mit meiner schweren Tasche und mit meiner Kamera dabei. In Schuhen, an die meine Füße nicht mehr gewöhnt waren, da ich das schneefreie Wetter dazu genutzt hatte, meine Winterstiefel zu entlasten und stattdessen meine stadttauglichen Stiefel anzuziehen. Das war ein Fehler, meine Füße haben sich ausdrücklich beschwert.
Ursprünglich war geplant, dass wir um 17 Uhr in Keflavík bei Eysteinns Eltern zum Essen kommen wollten. Nun gut, das hat sich etwas nach hinten verschoben, aber das kennen wir ja schon. Nichtsdestotrotz war das Essen fabelhaft und danach habe ich es genossen, mich in ein Zimmer zurückzuziehen, das ich mit keinem Kind teilen musste, und mir den schlechtesten Horrorfilm aller Zeiten anzusehen - „Quarantine“. Kein Kommentar.
Am Samstag dann (4.02.) war Ingvar Bergs Geburtstag. Ingvar Berg, ihr wisst schon, Eysteinns süßer kleiner Neffe. Ingvar Berg, der jetzt ein Jahr alt ist und mittlerweile auch laufen kann. Also morgens erst allemann ins Schwimmbad in Keflavík, diesmal frage ich wildfremde Leute um Hilfe mit meinem Badeanzug, ich frage auf Isländisch und sie verstehen mich und sie helfen mir, das ist doch mal was.
Nachmittags dann der Geburtstag – natürlich mit vielem und leckerem Essen, herzhaft und süß, ganz besonders hat es mir der Schokokuchen mit Erdbeeren angetan – und somit auch die Gelegenheit, endlich Gummis riesige Filmsammlung zu bewundern, von der ich meine Augen kaum abwenden kann. Letztendlich leihe ich mir dann vier Filme aus - „The Green Mile“, „Up in the Air“, „101 Reykjavík“ und „Once“ - für den Abend bin ich versorgt. „Once“ lasse ich aber lieber aus, um noch ausreichend Schlaf zu bekommen, da ich mittlerweile aus Erfahrung weiß, dass die Zwillinge scheinbar alles dafür tun, um im Auto nicht einzuschlafen, und die Heimfahrt daher nicht als Schlafzeit für mich eingeplant werden kann.
Am Montag (6.02.) ist Rakel mit ihrer Klasse auf Klassenfahrt gefahren, das heißt, Eysteinn und ich waren bis heute (10.02.) alleine mit der Rasselbande. Montag war Erna Steina zu Hause, ich musste aber unser Haus putzen, da ich das ja am Freitag nicht machen konnte, also ist Eysteinn zu Hause geblieben, bis ich damit fertig war.
Am Dienstag (7.02.), wo ich eigentlich putzfrei gehabt hätte, habe ich die Häuser gemacht, die ich sonst mittwochs mache, weil diesen Mittwoch (8.02.) der erste Englischtest war, wofür ich dann zur Schule fahren musste. Der Test war ein Witz, lief alles über Computer und hauptsächlich Vokabelfragen zum Ankreuzen, also keine große Sache.
Gestern dann (9.02.) ist Eysteinn schon morgens mit den Zwillingen nach Reykjavík gefahren, er zu einem Meeting, die Zwillinge zu den Großeltern. Also war ich über Nacht mit Íris, Jón und Sóley alleine. Ich muss zugeben, ich hatte mir vorher schon Gedanken gemacht, hauptsächlich wegen Jón, weil ich ja weiß, wie er sein kann und dass er sich vorzugsweise nur von seinem Vater ins Bett bringen lässt. Aber ich wurde ordentlich überrascht – wurde vielleicht wirklich ein Kinderaustausch vorgenommen? Ich glaube, Eysteinn hat ihm vorher ordentlich ins Gewissen geredet, denn er war nicht wieder zu erkennen. Er hat sich klaglos von mir aus dem Kindergarten abholen, zum Fußball und anschließend zum Klavier fahren lassen. Er hat nicht gemault, als sein Freund, mit dem er spielen wollte, nicht zu Hause war, er hat sich nicht beschwert, als er mitkommen musste, um Sóley abzuholen und er hat sogar den Hamburger gegessen, den ich ihm gemacht habe und das will was heißen, denn er kann sehr sehr wählerisch sein, was Essen angeht. Gestern Abend dann habe ich Sóley ins Bett gesteckt und dann haben wir drei es uns mit Chips und Limo vor dem Fernseher gemütlich gemacht. Es gab einige Diskussionen bezüglich der Filmauswahl, aber letztendlich haben sich Jón und Íris dann einstimmig für „Mamma Mia“ entschieden, was mich sehr erstaunt hat, da Jón ursprünglich vehement auf „Batman“ bestanden hatte. Nachdem der Film aus war, hat Jón sich brav die Zähne putzen lassen und sich dann ins Bett gelegt. Íris und ich haben noch eine Folge „Desperate Houswives“ geschaut und das war's dann. Ging ja einfach, fast zu einfach. Natürlich gab es gestern tagsüber mehrere Anrufe von beiden Elternteilen, denen ich immer wieder versichert habe, dass alles gut läuft und auch heute morgen, nachdem ich alle genauso problemlos zur Schule bzw. Kindergarten gefahren hatte, rief Eysteinn an, anscheinden um sicher zu sein, dass wir nicht verschlafen haben.
Jetzt weiß ich also, wie es wäre, wenn ich in einer Familie mit drei Kindern gelandet wäre. Langweilig. Und zwar ziemlich.
Heute dann ist Rakel von der Klassenfahrt zurück gekommen, für mich bedeutete das einen angenehmen Nachmittag, denn zwei Leute braucht es nun wirklich nicht, um sich um Jón zu kümmern, der froh war, seine Mama wieder zu haben. Kaum hatte ich mich aufs Bett gelegt, um mich nach dem Putzen unseres Hauses etwas auszuruhen, bin ich auch schon wieder weggedöst. An so ein Mittagsschläfchen könnte ich mich schon gewöhnen. Aber wie gesagt, die letzten beiden Wochen waren ungewöhnlich anstrengend, ich war quasi rund um die Uhr im Einsatz, dazu kam noch, dass Eysteinn diese Woche jeden Morgen ins Fitness-Studio gegangen ist, was für mich bedeutet, um sechs Uhr wach und fertig und oben zu sein.
Heute hat Rakel ihre obligatorischen fünf Pizzableche gebacken, denn morgen kommen Eysteinn und die Zwillinge wieder, dann ist die Familie endlich wieder komplett, das Basketballtraining habe ich guten Gewissens sausen lassen und dieses Wochenende kümmere ich mich um Sóley. Entspannung pur.
Ich hoffe, dass die nächste Wochen einfach so normal und unspektakulär wie möglich werden, damit ich euch mal wieder regelmäßiger auf den neuesten Stand bringen kann.
Also dann sag ich mal ganz zuversichtlich: Bis bald!
Und welche CD hast Du fleißiges Mädchen Dir gekauft?
Die Sängerin heißt Sóley (genau wie die älteste Tochter hier in der Familie) und das Album "We sink". Amazon beschreibt ihre Musik wie folgt:
Nordischer Strickjacken-Folk mit halbblinden Gläsern, die im WG-Abwaschwasser hin und her schippern, schön Lee vor Luv.
Kann man sich unter dieser Beschreibung etwas vorstellen? Nicht wirklich. Also hier meine eigene:
Wunderschön.
Ich habe gleich mal gesucht und höre gerade Blue Leaves. Wintermusik, eindeutig.