Dienstag, 6.12.2011
Eigentlich wollte ich ja schon gestern bloggen. Nein, eigentlich wollte ich schon Sonntagabend bloggen, weil da die Erinnerungen an das Wochenende bei Eysteinns Eltern in Keflavík noch frisch waren.
Warum habe ich es dann nicht gemacht? Weil wir am Sonntag viel zu spät wieder gekommen sind und ich nach einer endlos lang erscheinenden Fahrt im Schneckentempo über verschneite Straßen nur noch ins Bett wollte.
Und warum habe ich es gestern nicht gemacht? Weil Margrét ein bisschen krank war, nicht in den Kindergarten gegangen ist und ich vormittags mit ihr alleine war.
Aber der Reihe nach – Freitag:
Am Donnerstag ist die Putzfrau nicht gekommen. Ich glaube, ich kenne keine unzuverlässigere Person. Davor die Woche war sie auch schon nicht da und ich habe es in meiner Zeit hier nur sehr selten erlebt, dass sie zwei Wochen hintereinander ihren Job erledigt hat. Was bedeutet das für mich? Zum zweiten Mal in Folge Hausputz am Freitagvormittag. Eigentlich macht es mir ja sonst nichts aus, aber heute könnte ich gut darauf verzichten, denn mittlerweile hat die Erkältungswelle auch mich erfasst und mich mit Halsschmerzen versorgt, an denen ich noch das ganze Wochenende und auch darüber hinaus meine Freude haben werde. Egal, wie viel Tee, heiße Zitrone und Mandarinen ich zu mir nehme. Also schwinge ich zuerst den Staubsauger, der, nachdem ich ihn aus Versehen einen Stift habe aufsaugen lassen (warum lassen die Kiddies auch immer alles rumliegen?) und verzweifelt und erfolglos versucht habe, den Staubsaugerbeutel auszutauschen, fast genauso hustet wie ich, und dann den Wischer. Auf einmal kommt mir das Haus viel größer vor, aber trotzdem macht es Spaß, zu sehen, wie alles wieder sauber wird. Wenn ich noch Zeit gehabt hätte, hätte ich wohlmöglich noch die Fenster geputzt. Was ist nur aus mir geworden? Ich will mich ja nicht selber loben, aber ich finde, ich bin besser als die Putzfrau. Trotzdem muss ich das nicht jede Woche haben. Aber auch Eysteinns isländische Geduld scheint langsam erschöpft zu sein und ich hoffe, er hat wie angekündigt mal ein paar Takte mit der Putzfrau geredet.
Abends bin ich so erschöpft, dass ich nach dem Abendessen auf das gemeinsame X-Factor-Schauen verzichte und lieber ins Bett gehe.
Samstag:
Da es hieß, dass wir so früh wie möglich Richtung Süden aufbrechen wollen, klingelt mein Wecker schon um Acht. Ich wache auf und stelle fest, dass meine Stimme sich in der Nacht verabschiedet hat. Als ich nach oben komme, um den Schaden mit etwas Flüssigkeit zu beheben, erwartet mich Eysteinn mit zwei putzmunteren, aber noch nichtmal angezogenen Zwillingen. Der Rest schläft noch. Ich hätte also noch getrost länger schlafen können, aber stattdessen darf ich mir jetzt von Eysteinn anhören, dass ich anscheinend mit der falschen Kleidung draußen war, sonst wäre ich ja nicht krank, denn wie sein Großvater immer schon sagte, ist das Wetter so, wie die Kleidung ist. Quasi die isländische Version von „Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung“. Das bessert meine Laune nicht gerade. Denn erstens hat er mir das schon mal erzählt und zweitens ist meiner Meinung nach die viel zu hohe Raumtemperatur hier im Haus dafür verantwortlich. Ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber wenn man drinnen mit T-Shirt rumlaufen kann während draußen Minusgrade herrschen, ist es nur verständlich, dass der Körper nicht weiß, woran er ist. Wenn ich aus dem Haus gehe, kommt mir die Temperatur draußen schön frisch, aber keinesfalls kalt vor und auch die Tatsache, dass die Heizung in meinem Zimmer meistens aus bleibt, weil ich es im Gegensatz zu den anderen Räumen dort gerne auch länger aushalten möchte, erklärt ja schon einiges. Vielleicht auch Íris' Schnupfen und den Dauerhusten der Zwillinge. Das alles hätte ich gerne gesagt, vielleicht etwas freundlicher, aber ich schone meine langsam zurückkehrende Stimme lieber.
Letztendlich brechen wir dann erst um 10 Uhr auf, aber der makellose Sonnenaufgang, den wir während der Fahrt auf einsamen Straßen zwischen Bergen und gefrorenen Wasserfällen erleben, entschädigt mich für den fehlenden Schlaf.
Zur Erklärung: Eysteinn und Rakel sind von Samstag auf Sonntag in einem Hotel in der Nähe von Borgarnes – Weihnachtsfeier der Bank – und die Kinder und ich in Keflavík. Ich konnte aussuchen, ob ich mitfahren will oder nicht. Aber ich dachte mir, ein gutes Oma-Essen lasse ich mir doch nicht entgehen. Im Nachhinein hätte ich vielleicht anders entschieden, denn kurz nach dem Fahrerwechsel an einer Tankstelle – damit Rakel und Eysteinn nicht bis nach Keflavík und zurück kurven müssen, kommen uns Eysteinns Eltern ein Stück entgegen und sie fahren dann mit uns in dem großen Auto wieder zurück – kotzt Margrét und verziert ihre Jacke mit Rakels selbstgemachtem Thunfischsalat, den ich sehr mag, aber nicht weiß, ob ich ihn jemals wieder essen kann. Das wiederholt sich nochmal als wir schon fast am Haus der Großeltern angekommen sind, was Eysteinns Vater aber nicht davon abhält, noch ein bisschen durch den Ort zu fahren, um mir all die dekorierten Häuser zu zeigen, für die ich leider nicht so viel Aufmerksamkeit übrig habe, da ich einfach nur nach dem langen Sitzen raus aus dem Auto und an die frische Luft möchte. Zur Erklärung: In Keflavík gibt es jedes Jahr vor Weihnachten einen Wettbewerb, wer sein Haus am schönsten dekoriert. So wie es aussieht, verwechseln viele es mit einem Wettbewerb, wer sein Haus am meisten dekoriert.
Endlich angekommen, mache ich erst mal einen Spaziergang zum Ortszentrum, denn offiziell bin ich ja dieses Wochenende nicht im Dienst und kann tun, was ich will. Ich kaufe mir endlich endlich eine Schneehose, damit ich ab jetzt auch gut gerüstet bin für die nächsten Fotowinterwanderungen. Als ich wieder zurück komme, hat sich das Haus in eine Weihnachtsbäckerei verwandelt. Eysteinns Bruder mit seiner Verlobten und ihrem zehn Monate altem Sohn ist da und wir alle zusammen drängen uns um den viel zu kleinen Küchentisch und machen traditionelles isländisches Weihnachtsgebäck, dessen Namen ich leider vergessen habe. Eigentlich ist es kein Gebäck, da es gar nicht in den Ofen kommt. Die Prozedur läuft so ab: Am Anfang stehen kleine weiße Kügelchen, irgendwie aus Kartoffeln, aber auch mit ganz viel Zucker. Diese Kugeln werden in geschmolzene Schokolade getaucht und anschließend in eine Schüssel mit Kokosraspeln getan, die dann an der Schokolade kleben bleiben. Die fertigen Kugeln kommen auf ein Tablett und müssen kalt werden.
Als ich später eine probiere, kriege ich fast Kopfschmerzen, so süß wie sie ist. Hatte mir nicht jemand gesagt, das sei gesund?
Abends schaffe ich es dann, nachdem ich mit der Hilfe von Eysteinns Mutter die Zwillinge soweit bettfertig gemacht habe und sie ihr dann guten Gewissens überlasse, ins Kino zu gehen, da ich den ersten Teil vom letzten Teil der „Twilight“-Saga ja immer noch nicht gesehen habe. Ein gemütliches kleines Kino, ich bin nicht die Einzige im Saal, aber fast, also kann ich den Film ganz ungestört genießen. Falls jemand fragen sollte: Ja, ich konnte den Film verstehen, aber er war auch, wie die meisten Filme hier, auf Englisch mit isländischen Untertiteln. Als nach einer Stunde abrupt die Lichter wieder angehen, denke ich erst, dass ich wohl mein Zeitgefühl verloren habe und dann, was für ein misslungenes Ende das doch ist. Ich bin schon kurz davor, enttäuscht aufzustehen, bis mir auffällt, dass zwar manche Leute rausgehen, aber einige auch sitzenbleiben. Also bleibe ich auch erstmal, wo ich bin. Und siehe da, es ist nur eine Eiskauf- und Werbepause und nach zehn Minuten geht das Vergnügen weiter.
Als ich wieder zu Hause bin, schlafen die Zwillinge zum Glück schon längst friedlich. Aber gerade, als auch ich ins Bett will, erbricht Margrét sich schon wieder. Diesmal das Abendessen. Einzelheiten erspare ich an dieser Stelle. Also kümmer ich mich um das Bettzeug und Eysteinns Mutter und Íris sich um Margrét während Jón, froh, dass er wieder jemanden zum Spielen hat, schon sein neues Playmobilmännchen holt und Margrét damit piekst. Eysteinns Vater kommt nur kurz hoch, um zu sehen, was der ganze Trubel soll und verzieht sich dann ganz schnell wieder nach unten.
Als alles wieder sauber ist, lege ich Margrét wieder schlafen. Hatte ich schon erwähnt, dass ich wieder mit ihr in einem Zimmer schlafen darf/ muss? Der Rest geht jetzt auch ins Bett während ich noch warte, bis Margrét sicher wieder eingeschlafen ist. Gerade als ich am Eindösen bin, bricht das gleichmäßige Atmen ab und innerhalb einer Stunde heißt es nun schon zum zweiten Mal – Kind trösten, Kind waschen, irgendwo neue Bettwäsche auftreiben. Nur ein Unterschied: Diesmal mache ich es alleine, ich war ja eh noch wach. Und diesmal kriegt sie zum Einschlafen keine Milch, sondern Wasser in ihr Fläschen und siehe da – Ruhe im Karton, sie schläft am nächsten Morgen bis halb Zehn.
Sonntag:
Bevor wir um drei Uhr aufbrechen, um Rakel und Eysteinn zu treffen und den Heimweg anzutreten, wollen die Kinder irgendwie beschäftigt werden. Íris und Jón sitzen vor zwei verschiedenen Fernsehern und schauen zwei verschiedene Filme. Um dieser kommunikationswütigen und aktiven Atmosphäre zu entgehen, schnappe ich mir die Zwillinge, den Großvater und meine neue Schneehose und wir gehen raus für einen kurzen Spaziergang im Schnee. Leider haben wir nicht an Schlitten gedacht, also steuern wir den Spielplatz an, der im Schnee aber nicht wirklich viel Spaß macht. Also geht’s schon bald wieder in das warme Heim an, wo uns ein köstliches Sonntagsessen erwartet: geräuchertes Lammfleisch, Fischbällchen, Erbsen und Kartoffeln. Eysteinns Mutter ist etwas grantig, da eigentlich Rakel und Eysteinn zum Essen kommen wollten, die jetzt aber noch fleißig Weihnachtsgeschenke einkaufen. Dafür sind Eysteinns zwei Brüder und auch der kleine Ingvar Berg wieder da und ich lange tüchtig zu und genieße die Ruhe, da ich die Zwillinge, die nach dem Schneespaziergang völlig groggy waren, zum Mittagsschlaf ins Bett gesteckt habe. Nach dem Essen spiele ich ein bisschen mit Ingvar Berg, der mich immer wieder mit seinen kugelrunden großen blauen Augen anschaut und sich bestimmt fragt, warum ich so viel Spaß daran habe, mit jemandem zu spielen, der nicht weint und der auch noch keine Widerworte geben kann.
Die Kinderübergabe und der Autotausch erfolgt um vier Uhr bei Ikea. Die Eltern kommen schwer bepackt mit Weihnachtsgeschenken in Form von großen Toys-R-Us-Paketen, was bei den Kindern natürlich große Aufregung auslöst. Sie wollen die Geschenke unbedingt sofort aufmachen, können Weihnachten kaum erwarten. Ich hingegen kann es kaum erwarten, dass wir endlich losfahren, damit ich im Auto schlafen kann. Weit gefehlt. Zuerst noch ein Zwischenstopp beim Pizzaservice, damit auch ja alle satt sind bevor die lange Fahrt dann losgeht. Und die Fahrt ist lang. Sehr lang. Noch länger als sonst. Und die Kinder sind wach. Sehr wach. Wacher als sonst. Kaum sind wir aus der Stadt raus, kommt es mir so vor, als wären wir die Einzigen auf der Welt. Die Straßen sind weiß, der Wind hat den Schnee auf die Fahrbahn geweht und drückt ordentlich von der Seite gegen das Auto. Das erste Mal, dass ich erlebe, dass man ohne die Leitpfosten wirklich hilflos wäre. Also legen wir die Strecke sehr sehr langsam zurück und als wir endlich durch Borgarnes durch sind und das Schild „Ólafsvík – 111 Kilometer“ auftaucht, ist es schon 6 Uhr. Nicht zu vergessen, dass Sóley übers Wochenende in einer Einrichtung in Hellissandur war und eigentlich um 4 Uhr abgeholt werden wollte. Um 9 Uhr sind wir dann endlich endlich zu Hause und die Schneemenge scheint sich seit Samstag verdoppelt zu haben.
Montag:
Ich verschlafe. Wie soll es auch anders sein. Auf der Autofahrt habe ich danke singender, streitender und weinender Kinder nicht allzu viel Schlaf gekriegt. Ich ignoriere meine drei Wecker und wach erst um halb Acht auf. So fängt der Tag schon stressig an. Nochmal ins Bett gehen kann ich auch nicht, wie gesagt, Margrét ist krank. Also erlebe ich, wie es sein könnte, wenn man sich nur um ein Kind kümmern muss – langweilig, ehrlich gesagt, obwohl Margrét sich schon sehr gut selbst beschäftigen kann, zum Beispiel, wenn ich die Wäsche mache.
Als Rakel nachmittags von der Arbeit wieder kommt wird der Stress wieder mehr und das in Island, das bin ich ja gar nicht mehr gewohnt. Jetzt sind nämlich vier Kinder da (Jón, Spielkameradin, Zwillinge), die ich davon abhalten muss, zu streiten und die ich von Rakel fernhalten muss, die viel für die Schule tun muss. Je später es wird, desto hungriger werden die Kinder, desto schwieriger wird es, sie bei Laune zu halten.
Abends bin ich schon kurz davor, nicht zum Basketball zu gehen, weil ich gesundheitlich immer noch nicht wieder so ganz auf der Höhe bin und es außerdem nicht geschafft habe, vorher zu essen. Aber da muss schon mehr passieren. Ich gehe zum Training, mit der Aussicht auf Omas Fischbällchen, die sie uns eingepackt hat und auf das Süßigkeitenpaket, das ich heute von der Post abgeholt habe – Dank an Papa und Anka!
Heute:
Nikolaus? Nein, hier nicht. Einfach ein sehr schöner, normaler Tag ohne besondere Vorkommnisse. Heute genieße ich endlich den Luxus, mich wieder ins Bett legen zu können und einfach vor mich hin zu dösen. Dann gehe ich mit frischer Energie an den Alltag heran. Spülmaschine, Wäsche, willkommener Trott. Dann endlich finde ich die Gelegenheit, alles für euch und für mich niederzuschreiben. Und das wär's dann jetzt auch soweit. Schade, dass es hier kein Nikolausfest gibt, aber zum kurzfristigen Einführen war's mir gestern zu stressig. Aber dafür habe ich heute erfahren, dass es in Island dreizehn Weihnachtswichtel gibt. Am 11. Dezember kommt der erste. Ich bin mal gespannt.
Ich habe außerdem ein paar neue Fotos hochgeladen, um euch die isländische Weihnachtsstimmung näher zu bringen. Viel Spaß beim Anschauen.
Song des Tages/ der Woche/ des Monats: „Tip Tapping“ von Dillon. Reinhören und Genießen.
ester b. am 06. Dezember 11
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