Donnerstag, 20.10.2011
Am Dienstag hatte ich die Ehre mit einem Orchester von den Färöer-Inseln aufzutreten.
Und das kam so: Als ich am Donnerstag Jón von der Musikschule abgeholt habe, war ich etwas zu früh und hatte noch Zeit für einen kleinen Plausch mit der Leiterin der Musikschule. Sie erzählte mir, dass am Montag ein Orchester nach Ólafsvík kommen würde, ich sei herzlich eingeladen mitzuspielen. Montagabend Probe, genaue Uhrzeit noch nicht bekannt, Dienstagmorgen Auftritt, 9.30 Uhr. Also habe ich sie Montagnachmittag nochmal angerufen, um zu erfragen, wann denn die Probe sei, aber sie wusste es immer noch nicht, vielleicht so 8, halb 9. Sie würde mich zurückrufen, wenn sie genaueres wüsste. Tat sie aber nicht, also bin ich einfach nach dem Baketball ins Gemeindezentrum, wo das ganze stattfinden sollte. Licht ist an, Tür ist auf, aber kein Mensch zu sehen. In der Eingangshalle erwartet mich ein Haufen Gepäck, vermischt mit Instrumentenkoffern und Kartons mit zahllosen Toastpackungen. Bald darauf kommt ein Jugendlicher zu Tür rein, ich sage ihm auf isländisch, dass ich kein Isländisch spreche, er schaut mich nur fragend an. So langsam dämmerte mir, dass ich ja gar nicht weiß, wo das Orchester herkommt. Was hatte die Musikschulleiterin noch gesagt? Irgendwas mit ner Insel. Also erzählte ich dem verwirrten Jugendlichen auf Englisch, wer ich sei und dass ich jetzt hier mitspielen wolle. Er nickte nur kurz und ließ mich stehen. Aber nach und nach trudelt der Rest der Truppe ein, unter anderem auch ein paar Erwachsene, denen ich mich vorstelle und von denen ich herzlich willkommen geheißen werde. Ich erfahre, dass sie von den Färöer-Inseln kommen. Ach, so ist das. Ich tue so, als wüsste ich genau, wo diese Inseln liegen und als wäre es mir auch vollkommen bewusst, dass man dort eine eigene Sprache spricht. Später zu Hause werde ich das Land dann erstmal googlen und sehen, dass es auf halben Weg zwischen Island und Großbritannien liegt und es daher auch nicht verwunderlich ist, dass die Erwachsenen, mit denen ich spreche, in Island Musik studiert haben. Dann geht die Probe los und ich fühle mich in die Jugendorchesterzeit zurückversetzt. Das Orchester besteht aus ungefähr dreißig Jugendlichen, unterstützt von ein paar Erwachsenen und Studenten. An der Dirigentin kann man die Verwandschaft zu den Wikingern erkennen; sie ist eine blonde Hühnin, die barfuß vor uns steht und die Kiddies immer wieder dazu ermahnt, leise zu sein, sich zu konzentrieren und sie während des Spielens gefälligst anzuschauen - diese Anweisungen verstehe selbst ich und sie kommen mir irgendwie bekannt vor. Genauso wie das Tuscheln und Kichern mit den Sitznachbarn, das Umfallen von Notenständern und das Einbläuen von schwierigen Stellen in letzter Minute obwohl die Stücke alle eigentlich sitzen sollten. Ich spiele mit einem anderen die erste Klarinette, die Stücke sind nicht sehr anspruchsvoll, aber es macht trotzdem Spaß, endlich mal wieder in einem Orchester zu spielen. Zum Glück ist die Notenschrift weltweit vereinheitlicht. Die Stücke gefallen mir, viel Jazz ist dabei, sowas mag ich ja, zum Beispiel "You've got a friend in me" aus "Toy Story". Aber auch "Stairway to Heaven" oder "If I were a Rich Man". Außerdem noch ein paar traditionelle Stücke von den Färöer Inseln wie "Ólavur Riddararós", das schon etwas anspruchsvoller ist, da reicht dann einmal Durchspielen nicht für mich, also überlasse ich die Arbeit da eher meinem Mitspieler. Wer es sich anhören will, hier eine Version gespielt von dem Føroya Landsorkestur.

http://www.youtube.com/watch?v=izdEW7ADB54

Nach zwei Stunden Probe ist es schon 23 Uhr, also fahre ich schnell nach Hause, aber nicht ohne vorher in Erfahrung zu bringen, wann ich am nächsten Tag da sein soll und was ich anziehen soll. Wieder kriege ich keine genaue Zeitangabe, sondern nur ein ungefähres "Wir proben vielleicht so ab halb 9 nochmal, oder ab 9 oder was früher." Präzise Uhrzeiten sind wohl nur was für Deutsche. Kleiderordnung: Komplett schwarz. In Gedanken gehe ich kurz meine Reisegaderobe durch, stelle fest, dass ich keine schwarzen Kleidungsstücke außer meiner Jogginghose dabei habe. Als ich das Erik - meinem auserkorenen Ansprechpartner, der zudem noch Bassklarinett spielt, Wahnsinnsinstrument meiner Meinung nach - mitteile, meint er, dass sei nicht so schlimm, ich solle einfach "as black as possible" kommen, deutet auf mein lila Oberteil, das sei doch fast schwarz, wäre schon in Ordnung. Mit einem Schmunzeln auf dem Lippen verabschiede ich mich und freue mich auf den nächsten Tag.
Nachdem ich Sóley am Dienstag fertig gemacht habe, stelle ich mir ein fast schwarzes Outfit zusammen: blaue Jeans, braune Schuhe, graues T-Shirt, schwarze Sweatshirtjacke, schwärzer geht nicht. Als ich ankomme hat die Probe schon angefangen, ist aber nicht weiter schlimm. Um halb Zehn geht dann das kleine Konzert los, die ganze Schule ist gekommen. Es fängt an mit ein paar Schülern aus der Musikschule, dann eine kleines Esemble von den Orchesterleuten und zum Schluss dann das komplette Orchester. Leider spielen wir nicht alle Stücke, die wir geprobt haben, also ist der ganze Spaß viel zu schnell vorbei. Ich helfe noch ein bisschen beim Aufräumen und verabschiede mich von Erik, der mich einlädt, doch mit ihnen "auf Tour" zu gehen. Sie fahren noch in einige andere Städte und treten dort auf, aber das lässt meine Arbeit leider nicht zu und muss auch nicht unbedingt sein. Für eine einmalige Sache war es echt schön, aber damit ist es dann auch gut. Zum Abschied kriege ich noch eine CD der Big Band, wo Erik mitspielt. Habe sie schon angehört, meiner Meinung nach ein bisschen zu viel Gesang, den ich nicht verstehe. Aber immerhin habe ich jetzt eine CD von einer Big Band von den Färöer-Inseln und wer kann das schon von sich sagen?