Sonntag, 16.10.2011
Dieses Wochenende ist seit langer langer Zeit das erste, das ich frei habe und wo wir zu Hause geblieben sind. Angefangen hat es mit Freitag. So fängt das Wochenende ja meistens an. Hier werden die Tage immer kürzer, aber noch nur in dem Maße, wie ich es auch aus Deutschland gewohnt bin. Als wir am Freitag vom Basketball wiedergekommen sind, was auch manchmal noch freitags ist, unseren KFC Salat (diesmal mit Hühnchen) verputzt hatten und unser Blick eher zufällig ins dunkle Draußen fiel, sahen wir: Schnee. Dicke, fluffige Flocken, hier jóla snjór - Weihnachtsschnee genannt. Wunderschön sah das aus, wie die Flocken langsam gen Erde rieselten. Die Aufregung bei den Kindern war natürlich groß und in dem Fall zähle ich mich zu den Kindern dazu. Als kurz darauf im ganzen Ort noch der Strom ausfiel, war die gemütliche Stimmung perfekt. Kerzen wurden gesucht und angezündet, der Vater holte schon aus purer Verzweiflung das Kartenspiel, das in seinen Augen allerdings nur ein jämmerlicher Fernsehersatz zu sein schien. Umso größer seine Erleichterung als nach einer Viertelstunden alle Lichter wieder angingen.
Konnte der Abend ja doch noch mit Wein und Bier vor dem Fernseher verbracht werden. Langsam gewöhne ich mich dran und fange sogar an, es zu genießen. Dennoch sollte man meiner Meinung nicht vergessen, ein paar alternative Gemeinschaftsbeschäftigungen zu pflegen, damit man nicht zuletzt etwas zu tun hat, wenn der Strom mal länger ausfallen sollte.
Zur Beruhigung: Schnee so früh im Jahr ist selbst für isländische Verhältnisse ungewöhnlich, habe ich mir berichten lassen. Zur Beunruhigung: Das kleine Auto, mit dem ich immer fahre, hat noch keine Winterreifen drauf.
Jedenfalls, als dann der Strom wieder da war, konnten sich drei Kinder - Jón, Íris plus Freundin - auch wieder hervorragend um zwei Computer streiten während es sich die Erwachsenenfraktion, diesmal zähle ich mich zu den Erwachsenen, in den Fernsehsesseln gemütlich gemacht hat.
Zuerst ein nicht sehr erfreulicher Beitrag über eine tote Frau, die Eysteinn und Rakel persönlich kannten. Als sie später auf Facebook sehen, dass eine Bekannte etwas nicht sehr nettes über die Sendung gepostet hat, werden sofort harte Konsequenzen daraus gezogen und die Bekannte darf sich nun nicht mehr zu Eysteinns Freunden zählen.
Darauf folgt das obligatorische Útsvar und später dann X-Factor USA. Das isländische Fernsehen hat es anscheinend nicht so nötig, seine Zuschauer mit Werbung zuzudröhnen, wie das deutsche und das ist sehr sehr angenehm. Wenn Spielfilme gezeigt werden, dann völlig ohne Werbung und auch bei ausländischen Serien werden die möglichen Schnitte nicht genutzt, um Werbung einzublenden. Meistens kommt nur Werbung zwischen einzelnen Beiträgen und dann sind es keine ausgefeilten Werbespots, sondern meist nur Standbilder mit leiser Hintergrundmusik und einer monotonen Stimme, die beispielsweise für ein lokales Geschäft wirbt.
Weiter im Text.
Am Samstag hatte ich vor auszuschlafen, aber das hat nicht so ganz geklappt. Zuerst trappelnde Kinderfüße über mir, dann Duplogeklapper neben mir. Also noch etwas im Bett liegen bleiben, Decke über die Ohren ziehen und erfolglos versuchen, das alles auzublenden. Als ich schließlich frisch geduscht nach oben komme, um mein Frühstück einzunehmen, ist der Rest der Familie schon beim Mittagessen angekommen. Hot Dogs zum Frühstück, auch nicht schlecht.
Dann schnappe ich mir das Auto und fahre los. Mit Karte, Regenklamotten und Wanderschuhen. Halte überall an, wo die Natur vielversprechend aussieht und mache Fotos. "Woran erkennt man einen Touristen in Island? Daran, dass er aus dem Auto aussteigt." Na gut, bin ich eben mal ein typischer Tourist. Mich sieht ja eh keiner, auf der ganzen Fahrt kommen mir insgesamt vielleicht zwei Autos entgegen. Das Wetter ist windig, sehr windig und regnerisch, aber ich komme nur in einen heftigen Schauer. Hätte ich meine Regenhose, in der ich mich wieder fühle wie im Kindergarten, fast gar nicht gebraucht. Ich wandere einen ca. 3 Kilometer langen Rundweg und mache ganz viele Fotos. Der Weg führt erst durch ein Lavafeld, dann durch grüne Wiesen und an der Küste entlang, wo die Wellen und die Gischt vom Wind hochgepeitscht werden. Natürlich mache ich ganz viele Fotos. Dabei fällt mir leider meine kleine Kamera aus der Hand, voll aufs ausgefahrene Objektiv. Nicht gut. Hab sie mittlerweile wieder hingebogen, wortwörtlich, mal sehen wie lange es gut geht. Klar, ich hab noch meine große Kamera, aber die kleine ist eben gut für die Hosentasche und bei der Großen habe ich im Moment ziemliche Probleme mit Sensorflecken, muss mal sehen, wie ich die weg kriege.
Aber ich schweife ab. Am Abend gibt es köstliche Pizza und eine köstliche Szene vor dem Fernseher. Jón will prinzipiell was anderes sehen als der Rest der Familie, das tut er dann meistens im Elternschlafzimmer. Soweit so gut. Allerdings will er es nicht alleine schauen. Also ruft er laut und fordernd nach Rakel. Sie sagt, sie kommt, bleibt aber im Fernsehsessel sitzen. Nach fünf Minuten ruft Jón wieder, dasselbe Spiel. Irgendwann merkt Jón, dass er so nichts erreicht und er kommt ins Wohnzimmer. Diesmal will er, dass Eysteinn mitkommt. Dieser will aber noch die Sendung zu Ende schauen. Jón macht Theater, schreit, quengelt. Íris macht sich ein bisschen über ihn lustig, Jón wird fuchsteufelswild und macht nun erst richtig Terz. Eysteinn sagt, wenn Jón es schafft, zwei Minuten ruhig zu sitzen ohne zu weinen, würde er mitkommen. Eysteinn fängt an, mit den Fingern zu zählen. Er zählt langsamer und langsamer, hört irgendwann auf. Jón will wissen, ob er endlich fertig ist. Eysteinn sagt nein. Jón quengelt. Eysteinn fängt wieder von vorne an zu zählen. Íris und ich können uns ein Grinsen nicht verkneifen, Jón regt sich wieder auf, Eysteinn fängt wieder von vorne an. Nach ca. zehn Minuten ist die Sendung dann vorbei und auch Eysteinns zwei Minuten zählen. Ich habe mich köstlich amüsiert. Was man sich nicht alles einfallen lassen muss, um in Ruhe seine Sendung sehen zu können.
Heute war das Wetter echt eklig. Wind, so stark, dass man, wenn die Haustür aufgeht, die Druckveränderung in den Ohren spürt. Wind, so stark, dass das Trampolin mehrmals abhebt. Wind, so stark, dass ich heute keinen Fuß vor die Tür gesetzt habe. Dazu immer mal wieder Regen. Theresa, die noch bis Mitte November in Brimilsvellir ist, war heute bei mir, wir haben Kuchen gegessen, von mir selber gebacken, Tee getrunken, und erzählt. Das Beste, was man bei so einem Wetter tun kann. Hat mich gewundert, dass uns nicht der Gesprächstoff ausgegangen ist.
Auf dem Abendprogramm stand Toben mit Jón und den Zwillingen, die ich heute sehr vernachlässigt habe, in der von Íris aufgeräumten und zum Abenteuerspielplatz umfunktionierten Garage. Als Belohnung hat Margrét mich ihre Zähne putzen lassen. Wie gnädig.
ankamoritz am 17.Okt 11
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liebe Ester,
jetzt durfte ich schon so viele Blogs von dir lesen, dass ich es nur fair finde, endlich mal zu reagieren.
Wir verfolgen alles, was mit Island zu tun hat mit großem Interesse und erfreuen uns immer mehr an den munteren, buten, schroffen, eigenartigen Bildern, die sich einem da zeigen und da machst das mit deinen Blogs umso lebendiger. Vielen Dank, dass du uns an deinen Geschichten teilhaben läßt!
Es macht richtig Spaß deine Momentaufnahmen zu lesen, und, wie bei einem Krimi, warte ich auf die nächste.
In Gedanken bin ich jetzt oft in Island- froh, dass ich das raue Wetter nicht in Realliter aushalten muß und hoffe, dass es dir genauso wenig ausmacht, wie in den kalten Wintern hier.
Liebe Grüße
Anka