Montag, 26.09.2011
Wieder ein schönes Wochenende in der kleinen großen Stadt verbracht. Hier eine grobe Zusammenfassung:
Freitagabend hab ich nicht mehr viel gemacht außer mich von der Autofahrt zu erholen, die diesmal ganz besonders lang erschien, weil die Zwillinge nicht nur geschrien, sondern auch gekotzt haben. Rakels Reaktion darauf: Anhalten, aussteigen, nachschauen, ob die Ledersitze was abbekommen haben - nein - einsteigen, weiterfahren, und Íris, die zwischen den Zwilligen saß und das abbekommen hat, was die Ledersitze nicht abbekommen haben, die Säuberung überlassen.
Also habe ich den Freitagabend im Schoß der Familie verbracht, erst mit dem besten Thai-Food in ganz Reykjavík und später dann mit ganz viel Nammi vor dem Fernseher. Rakel und Eysteinn verließen uns bald für einen Spaziergang, blieben Íris und ich und die schlafenden Zwillingen und ein besseres TV-Programm als beim letzten Mal. Später am Abend, als Íris schon längst auf der Couch eingeschlafen ist, läuft ein älterer englischer Krimi, in der das erste Mordopfer die digitale Fotografie für Teufelswerk hält und nichts damit zu tun haben will. Der Verdächtige, der das Opfer schon mehrmals mit seiner Digitalkamera provoziert hat, kann es dann aber doch nicht gewesen sein, denn er wird als zweites umgebracht. Leider habe ich die Auflösung nicht mehr mitgekriegt, da mein Bett dann doch verlockender war als teetrinkende trenchcoattragende Ermittler.
Am Samstag hatte ich dann endlich mal Gelegenheit, mein hart verdientes Geld auszugeben. Ich bin auf der Flaniermeile hin- und herflaniert und in jedes Geschäft gegangen, das vielversprechend aussah, in manche auch zweimal. Endresultat: Viel zu schwere Tüten, deren Plastikgriffe mir die Hände abgeschnürt haben, aber das war's wert. Pause gemacht habe ich einem wunderschönen Café mit kuscheligen Sofas und kleinen Tischchen, in dem für die Gäste Brettspiele und Bücher bereitstehen und wo die Gäste sich mit Kreide auf der Backsteinwand verewigen können. Dort habe ich mein heiße Schokolade genossen, aber nur kurz, denn sobald sich an dem Tisch nebenan zwei Deutsche niedergelassen gehaben, war der Flair irgendwie dahin.
Weiter ging's zu einem Bücherantiquariat, von oben bis unten voll mit Büchern, Büchern, Büchern, sodass einem schon vor dem Eintreten der typische Geruch von alten Büchern in der Nase kitzelt. Es gab auch eine Abteilung für fremdsprachige Bücher. Dort fand ich zum Beispiel die "Deutschstunde" von Siegfried Lenz oder "The Hobbit" von J.R.R. Tolkien und ich musste mich mal wieder zurückhalten, denn Bücher habe ich im Moment wirklich genug dank der Pakete von zu Hause. Also habe ich mir lieber die isländischen Bücher angeschaut, die verstehe ich eh nicht, also ist auch die Wahrscheinlichkeit geringer, dass eine Stimme in mir dazu drängt, sie zu kaufen. Die Regale waren vollgestopft bis obenhin und manche Gänge zwischen den Regalen waren zugestellt mit Kartons, die ebenfalls vollgestopft waren. Man musste echt aufpassen, wo man hintritt, da das Risiko für eine dominoähnliche Kettenreaktion enorm hoch war. Als mir, bepackt wie ich war, aus Versehen ein Buch runtergefallen ist, habe ich erstmal ein paar Sekunden die Luft angehalten und mich nicht bewegt. Dann erst habe ich das Buch zurückgestellt und mich sehr langsam und sehr vorsichtig umgedreht um festzustellen, dass der Inhaber des Ladens mich genauestens taxiert hat. Hinter der Theke, die ebenfalls nur aus Bücher bestehen zu schien, saß er bewegungslos auf seinem Stuhl, so alt und vergilbt wie seine Bücher - perfekt getarnt, kein Wunder, dass ich ihn vorher nicht gesehen hatte. Er hat sich nur bewegt, wenn es unbedingt sein musste. Zum Beispiel, wenn es darum ging, die Schallplatte zu wechseln. Ja, er hat den Laden tatsächlich mit klassischer Musik von der Platte beschallt. Hach, ich liebe solche Läden!
Samstagabend hab ich dann auf die Zwillinge aufgepasst. Geplant waren zwei Stunden, weil Rakel, Eysteinn und die Großeltern, die plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht sind, bei Bekannten zum Essen eingeladen waren. Wie das in Island aber so ist, hat sich der Plan kurzfristig geändert, das Essen dauerte doch länger als gedacht, also habe ich probiert, die Zwillinge ins Bett zu bringen und siehe da - es hat geklappt. Zwar nicht problemlos und nicht auf Anhieb, aber doch besser als gedacht. Ich bin ja so stolz auf mich. Als dann die Großeltern kamen, um mich zu unterstützen, schlummerten die beiden schon friedlich in ihren Betten, mit den neuen Puppen, die die Oma selbst gemacht hat und auf die sie sehr stolz zu sein scheint. Als Rakel und Eysteinn dann später wiedergekommen sind, wurde mir mehrmals mit weißweingeschwängerter Stimme überschwänglich versichert, dass ich die Beste sei. Ich habe es zur Kenntnis genommen und anschließend erfolglos versucht herauszuhören, ob die temperamentvollen Gespräche hitzige Diskussionen oder lustige Anekdoten darstellten. Es war vermutlich eine Mischung aus beidem, denn es wurde viel gelacht, aber auch viel diskutiert und die eine Oma hat schließlich wutschnaubend und türenknallend das Apartment verlassen, was aber niemanden gekümmert hat.
Am nächsten Morgen sind wir alle noch schnell zusammen einkaufen und Pizza holen gefahren, bevor wir dann das Apartment geräumt haben. Sagte ich schnell? Na ja, so schnell wie es mit drei quengelnden Kindern und zwei scheinbar planlosen Eltern eben geht.
Die anschließende Heimfahrt verlief für mich jedenfalls sehr geruhsam, da ich alleine das kleine Auto nach Hause gefahren habe und dabei von einer CD mit deutschen Liedern begleitet wurde, die ich im Handschuhfach gefunden habe und die noch von Suzy, dem Au Pair vor mir, stammen muss. Das war meine Rettung, denn ansonsten hätte ich die Wahl gehabt zwischen rauschendem Radioempfang und einem Justin Bieber Album.
ester b. am 26. September 11
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