Guten Morgen,
ich hatte heute ein kleines, aber feines Erfolgserlebnis und das schon so früh am Morgen. Ich habs zum ersten Mal geschafft, Sóley einen ganz passablen Zopf zu machen und das, obwohl ich das ja selbst bei meinen Haaren nie hinkriege.
Nun sind alle aus dem Haus und ich sitzte hier ganz in Ruhe mit einer Tasse Tee und überlege, was ich mit diesem Tag anfange. Mein Zimmerfenster und das Bad hab ich gestern schon geputzt, also fällt das schonmal weg. Das Bad hatte es wirklich nötig, ja, ich hätte nie gedacht, dass ich mal freiwillig ein Badezimmer putze, aber die Putzfrau war letzte Woche nicht da, also hab ich das lieber selbst in die Hand genommen. Und das Fenster hab ich geputzt, weil ich klare Sicht auf das Meer haben möchte, das heute übrigens nicht mehr so ruhig ist wie in den letzten Tagen.
Außerdem war ich gestern in der Musikschule hier in Ólafsvík, nachdem Eysteinn mit der Direktorin gesprochen hatte, und ich habe mir alles ein bisschen angeguckt. Es ist eine sehr beschauliche Musikschule und leider gibt es kein Orchester oder ähnliches. Allerdings ist ein Lehrer gerade dabei, ein kleines Ensemble zusammenzustellen, dessen Probenzeiten aber mit meinen Arbeitszeiten kollidieren würden. Das ist schade, aber mal sehen, was sich sonst noch so ergibt. Sie rufen mich einfach an, wenn sie was wissen und sie haben mir angeboten, dass ich jederzeit vorbeikommen kann, wenn ich frei habe, und das finde ich sehr nett. Ich habe auch probiert, auf einer von den Klarinetten von der Musikschule zu spielen, weil ich meine eigene nicht dabei hatte, aber das hat nicht so gut geklappt, weil sie einfach alt war und auch ein anderes Klappensystem hatte. Ich glaube, der Lehrer hat mir nicht geglaubt, dass ich schon acht Jahre spiele, aber das werde ich ihm noch zeigen.
Außerdem war ich gestern im Touristencenter, um zu fragen wie es mit dem Sprachkurs aussieht. Im Moment können sie noch nichts sagen, weil es mindestens zehn Leute sein müssen, also hoffe ich einfach, dass einer zustande kommt.
Gestern Abend habe ich dann den Vertrag unterschrieben, dass ich mich ein Wochenende im Monat nur um Sóley kümmere. Ansonsten würde das eine Familie hier im Ort machen, aber ich mag Sóley wirklich und traue mir schon zu, mich um sie zu kümmern. Sie ist von allen Kindern die einfachste und sie ist immer gut gelaunt und ich werde mir dann eine schöne Zeit mit ihr machen. Das erste Wochenende ist schon das kommende und ich bin mal gespannt, wie es wird.
Gestern habe ich sie um 17 Uhr von der Schule abgeholt und das einzige Problem war, den Rollstuhl in den Kofferraum vom kleinen Auto zu bekommen. Es hat eine Weile gedauert, aber letztendlich hat es geklappt, auch wenn ich damit bestimmt einige Zuschauer schwer enttäuscht habe.
So, na dann mal auf in diesen neuen Tag. Ich war schon lange nicht mehr spazieren, aber es ist auch schwer, sich dazu aufzuraffen, wenn im Nebenzimmer ein fetter Fernseher und eine gute DvD-Auswahl steht, auch wenn diese DvDs zum Beispiel auf Isländisch mit französischen Untertiteln sind.
Aber jetzt geht's los, bis dann.
Hallo Ester,
Elisabeth hat uns erzählt, dass Du zur Zeit in Island bist. In Ólafsvík direkt am Snæfellsjökull, in den Jules Verne seine Protagonisten auf die Reise zum Mittelpunkt der Erde einsteigen lies.
Vor 15 Jahren waren Isabel und ich auch auf Island und haben dort eine unvergessliche Zeit an einem kleinen See nordwestlich vom berühmten Þingvellir, dass man von der Hochebene aus sehen konnte. Damals haben wir auch eine Tour per Mietwagen nach Akureyri wo wir bei Freunden in einem einsamen Landgut in einem menschenleeren Tal am Nordmeer übernachtet haben. Von dort aus starteten wir dann eine atemberaubende Fahrt durchs Landesinnere zum Gullfoss und von dort über den Þingvallavatn wieder zurück. Ich habe mit einem Isländer eine mystische Wanderung in die Hochebenen gemacht, vorbei an bizarren Lavaformationen und Gletschertoren während Nebelschwaden uns die Orientierung zu rauben versuchten. Wahrscheinlich waren die Elfen daran schuld, die man in Island nicht ungestraft stören sollte - frag Deine Gastfamilie.
Damals hat nicht viel gefehlt, und wir hätten in Deutschland alles hinter uns gelassen und wären in Island geblieben.
Die Sprache sollte nicht all zu schwer zu lernen sein, die wichtigsten Brocken haben wir uns damals in zwei Wochen angeeignet (und bis heute leider wieder vergessen).
Wir wünschen Dir eine tolle Zeit dort, insbesondere jetzt im Sommer, wo es kaum dunkel wird.
Karl und Isabel